Colombian Powder
plauderte er plötzlich wieder ganz entspannt mit ihr, als wären sie alte Bekannte. Nina konnte sich keinen Reim darauf machen. Sie wusste nur, dass sie diese Bekanntschaft nicht vertiefen wollte.
Unter einem riesigen Farn breitete sie ihr Strandtuch aus. Die Gruppe verteilte sich über die gesamte Lichtung, und Marco hatte sich mit seinem Hofstaat auf der anderen Seite der Lagune niedergelassen.
Nina zwang sich, den Blick abzuwenden und fragte sich zum hundertsten Mal, was sie sich von diesem Mann eigentlich erhoffte. In drei Tagen würde sie planmäßig das Schiff verlassen, und dann würde sie ihn mit Sicherheit nie wieder sehen.
Um sich abzulenken, stand sie auf und ging die paar Schritte zum Rand des kleinen Sees. Das Wasser war so klar, dass sie bis auf den felsigen Grund sehen konnte. Über einige in den Stein gehauene Stufen stieg sie in das Becken hinunter. Es war ein himmlisches Gefühl, in das warme Wasser einzutauchen. Die Felsen am Rand waren rundgeschliffen und erzeugten so richtige Unterwasserliegen. Entspannt lehnte sich Nina zurück und schaute in das atemberaubende Blätterdach über ihr.
Auf einmal nahm sie von fern Marcos Stimme wahr, und gegen ihren Willen hielt sie erneut nach ihm Ausschau. Er stand mit einigen Leuten ein Stück oberhalb der Lagune auf einem Felsvorsprung. Von dort machten ein paar beherzte Kopfsprünge in den tiefen Bereich der Lagune. Bei seinem Anblick klappte Nina beinahe der Unterkiefer herunter. Wie er dort oben in der Reihe stand, sah er aus wie ein junger Gott. Jede Proportion seines Körpers war perfekt, und im Gegenlicht der Sonne wirkten seine Muskeln wie aus Stein gemeißelt. Nina entgingen nicht die bewundernden Blicke, die ihm andere Frauen zuwarfen. In dem Moment, als sie ihn unverhohlen anstarrte, hob er den Kopf und ließ seinen Blick über die Lagune schweifen. Er musste Nina im Wasser unter sich auf jeden Fall erkennen, doch er sah gleichmütig über sie hinweg. Sofort spürte sie einen Stich in der Brust, und der Zauber des Augenblicks war verschwunden. Was hatte sie bloß falsch gemacht? In Gedanken ging sie noch einmal den vergangenen Abend durch, ohne zu einer Erkenntnis zu gelangen, warum Marco sie ignorierte.
Den Rest der Zeit verbrachte Nina auf ihrem Platz unter dem Farnwedel und versuchte sich erfolglos in das mitgebrachte Buch zu vertiefen. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Blick immer wieder zu der Gruppe auf der anderen Seite abschweifte. Marco sah kein einziges Mal zu ihr herüber.
Sie war froh, als der Reiseleiter das Ende des Aufenthalts verkündete, und beeilte sich, ihre Sachen zu packen. Auf dem Rückweg zum Parkplatz und während der Fahrt kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um die letzten Stunden. Zum Glück hielt wenigstens Klaus Eggerth den Mund - er war auf seinem Sitzplatz eingeschlafen. Sie lehnte ihre Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und schloss frustriert die Augen. Was auch immer der Grund für Marcos Verhalten sein mochte, es war letztendlich egal – zumindest bildete sie sich das ein. Bald würde sie ihn nie wieder sehen. Hoffentlich gingen die beiden Tage bis zu ihrer Abreise schnell vorüber, und sie musste ihm nicht noch einmal begegnen.
Zurück in ihrer Kabine berichtete Beate von einer öden Fahrt an der Küste entlang und konnte sich nicht sattsehen an den Fotos, die Nina mit der Digitalkamera vom Wasserfall von Bajo Tigre gemacht hatte.
»Da gibt sich der Herr Mediziner so weltgewandt und zeigt mir letztendlich nur endlose Bananenplantagen«, beklagte sich Beate.
Auf Ninas Frage, was die beiden gesprochen hatten, antwortete sie wortkarg. Nina fand das seltsam. War womöglich etwas vorgefallen zwischen Jens und ihr?
Nachdem das Schiff aus Puerto Limon ausgelaufen war und nun Kurs auf Südamerika nahm, machten sich die beiden Frauen auf den Weg ins Abendrestaurant. Der Tisch nebenan war bereits abgeräumt worden, was bedeutete, dass Klaus Eggerth sein Mahl beendet hatte. Nina konnte das nur recht sein. Während des Essens erzählte sie ihrer Freundin von Eggerths sonderbarem Verhalten beim Ausflug.
»Vielleicht ist er ganz nett, wenn man ihn besser kennt«, meinte Beate schulterzuckend. Seit ihrer Rückkehr hatte sie schlechte Laune.
Nach dem Dinner enterten sie wie immer die Lounge Bar. Die Diamond Dolphin machte nun zügig Fahrt, und die Bar war wegen des starken Windes an Deck entsprechend gut besucht. Kaum hatten sie sich umgesehen, als am Tresen jemand unübersehbar zu winken begann.
»Da ist
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