Colombian Powder
ihn alte, ungewohnt bedrückende Gedanken.
Die Stadtrundfahrt endete schließlich im Schatten einer Kathedrale vor der Altstadt. Beate drehte sich im Kreis und suchte einen Orientierungspunkt. In der Hand hielt sie die Lagebeschreibung eines Lokals mit öffentlichen Internet-Anschlüssen. Ramon hatte angekündigt ein E-Mail zu schicken, in dem sie Ort und Zeitpunkt der heutigen Drogenübergabe erfahren würden.
»Der Laden muss an dieser Straße liegen«, stellte Beate fest und bog mit Nina auf eine verkehrsreiche Hauptstraße ein. Tatsächlich entdeckten sie auf Anhieb das unscheinbare Café mit dem gemalten Schild CaribeNet über der Tür.
Gerade wollten sie die Straßenseite wechseln, als plötzlich Jens vor ihnen stand. Er schien überrascht.
»Hallo ihr Hübschen! Zur Altstadt geht es in die andere Richtung«, dabei zeigte er die Straße hinunter, die Beate und Nina gerade gekommen waren. Sein Blick fiel auf den Lageplan in Beates Hand. »Was sucht ihr denn?«
»Wir wollten uns gerade ein Restaurant fürs Mittagessen suchen«, antwortete Nina etwas vorschnell, während Beate den Zettel in ihrer Tasche verschwinden ließ.
»Ist das nicht noch etwas früh?« Er sah abschätzend auf seine Armbanduhr. »Aber was soll´s. Kommt mit, der Reiseleiter hat mir eine nette Bodega empfohlen. Gar nicht weit von hier.«
Beate und Nina blieb nichts anderes übrig, als sein Angebot anzunehmen. Er führte die jungen Frauen in die Altstadt hinein und steuerte auf ein Ecklokal zu, von dessen Terrasse man einen schönen Blick auf einen kopfsteingepflasterten Platz hatte. Der Empfehlung des Reiseleiters waren offensichtlich bereits mehrere Passagiere gefolgt, denn es war nur noch ein einziger Tisch frei.
Eigentlich hatten sie überhaupt keine Zeit zum Mittagessen. Keine der beiden Frauen wusste, wo sich das Kokain befand, und sie hatten nur noch gute drei Stunden, um es zu übernehmen. Ein Blick zu Beate zeigte ihr, dass sie dasselbe dachte. Nun galt es, Jens abzuschütteln, ohne sich verdächtig zu machen. Kaum hatten sie ihre Bestellung abgegeben, begann Beate nervös in ihrer Tasche zu kramen.
»Verdammt, mein Portemonnaie ist weg!«
»Das hat dir bestimmt ein Einheimischer gestohlen«, spekulierte Jens sofort.
»Ich glaube, ich habe es vorhin in dem Souvenirladen auf dem Tresen liegen gelassen.« Ohne auf seine Bemerkung einzugehen sprang Beate auf. »Ich laufe schnell zurück und sehe nach.«
Nachdem Beate davongeeilt war, entstand eine unangenehme Stille am Tisch. Jens vertiefte sich wieder in die Speisekarte, obwohl das Essen schon bestellt war. Nina lehnte sich zurück und atmete tief durch. Hoffentlich gelang es der Freundin, in der kurzen Zeit Ramons E-Mail aufzurufen.
»Was ist denn nun mit heute Abend? Ich kann uns immer noch ein bisschen Zauberpulver besorgen«, fragte Jens unvermittelt, ohne die Augen von der Karte zu lösen.
Nina überlief es kalt. Jetzt fing er schon wieder damit an. Und ausgerechnet dann, wenn Beate nicht dabei war, die Nina in Sachen Schlagfertigkeit haushoch überlegen war. Um Zeit zu gewinnen, wischte Nina mit einer bedächtigen Bewegung ein paar unsichtbare Krümel vom Tischtuch. Jens sah sie immer noch nicht an, wartete aber offenbar auf eine Antwort. Sie beschloss, in die Offensive zu gehen.
»Wo besorgt man sich hier denn den Stoff?«, fragte sie mit gesenkter Stimme und lehnte sich über den Tisch.
Ein erwartungsvolles Funkeln schien in seine Augen zu steigen, als er Nina nun direkt ansah. »Das lass mal meine Sorge sein.«
Der Kellner näherte sich mit den Speisen, und Nina zog es vor, das Thema nicht noch weiter zu vertiefen.
»Wo Beate bloß bleibt«, wunderte sich Jens. »Ist das Geschäft denn weit weg von hier?«
»Nur ein paar Straßen. Hoffentlich hat sie sich nicht verlaufen.«
Schweigend machte sich Jens über seinen Teller her. Der hat die Ruhe weg, dachte Nina und warf einen Blick auf ihr Handy, ob Beate ihr vielleicht eine Nachricht geschrieben hatte.
Nichts.
Sie aß ein paar Gabeln des Arroz, aber ihr Magen krampfte sich protestierend zusammen. Vielleicht erwartete Beate von ihr, dass sie sich ebenfalls absetzte. Klirrend legte sie ihr Besteck auf den Teller und schob ihren Stuhl zurück. »Es ist besser, wenn ich nach Beate sehe«.
Jens sah sie verdutzt an. »Ist das nicht ein wenig übertrieben? Sie wird schon kommen.«
»Ich werde ihr trotzdem entgegengehen.« Entschlossen stand Nina auf. Sie konnte hier nicht länger in aller Ruhe herumsitzen und
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