Colombian Powder
sollen.«
Und das fällt dir jetzt ein, dachte Nina aufgebracht und war kurz davor, es auch zu sagen. Ein schlimmer Verdacht ließ Ninas Stimme bei der nächsten Frage ein wenig zittern. »Und wen haben wir außer Jens?«
Zwei Herzschläge vergingen.
»Na wen wohl? Marco natürlich!«
Nina blieb der Mund offen stehen. Einen Moment lang glaubte sie, der Boden unter ihren Füßen schwankte. Oder war es nur ein kurzes Schlingern des Schiffes?
»Warum nicht? Wenn ich länger darüber nachdenke, ist er sogar die bessere Partie. Der stellt mit Sicherheit keine dämlichen Fragen.«
»Aber was ist, wenn sein Vater misstrauisch wird?«
»Hast du vergessen, dass er in Venezuela von Bord geht?« Beate geriet zunehmend in Euphorie. »Dann ist keiner mehr da, der noch Zweifel sähen könnte. Warum auch?«
Nina hätte am liebsten aufgeschrien. Stattdessen fegte sie den Traumfänger vor dem Bullauge zur Seite und drückte ihre Stirn an die kühle Scheibe. Blicklos starrte sie in das Dunkel. Sie wusste, dass Beate recht hatte.
A Hard Day´s Night
»Wo bist du bloß mit deinen Gedanken?« Beates Worte schreckten Nina auf. Sie hatte gerade selbstvergessen einen Löffel Marmelade in ihren Kaffee gerührt, anstatt ihn auf das Croissant zu streichen. Beate schüttelte den Kopf und vertiefte sich wieder in die Informationsbroschüre über Cartagena.
Die Diskussion gestern Abend hatte Nina stärker aufgewühlt, als sie vor sich selbst zugeben mochte. Danach hatte sie sich stundenlang im Bett gewälzt und keine Ruhe gefunden. Gequält von unzähligen Gedanken war sie irgendwann aufgestanden, um eine Schlaftablette aus Beates Reiseapotheke zu nehmen. Die Angst vor einem Fehlschlag bei dem angeblich so wasserdichten, generalstabsmäßig durchdachten Plan war jetzt allgegenwärtig, und über all dem stand noch Marco, der mit hineingezogen werden sollte!
Es dauerte lange, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Damit sank sie endlich in einen schweren, traumlosen Schlaf, aus dem sie am Morgen wie gerädert erwachte. Selbst jetzt waren ihre Glieder noch bleischwer trotz der dritten Tasse Kaffee.
»In einer Viertelstunde legen wir an. Hast du deine Sachen für den Landgang beisammen?«, riss Beate sie erneut aus ihren Grübeleien. Nina nickte stumm. Die Stunde null rückte immer näher, und vor dem Abend würden sie Drogen im Wert von zwei Luxusjachten in den Händen halten. Dann saßen sie im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Pulverfass.
Plötzlich war selbst im Frühstücksrestaurant eine spürbare Unruhe festzustellen.
»Ich glaube, wir laufen gerade in den Hafen ein«, sagte Beate und steckte sich schnell das letzte Stück Gebäck in den Mund. »Lass uns nach draußen gehen!«
Gespannt betraten die beiden Frauen die Frühstücksterrasse, um mit vielen anderen Passagieren einen ersten Blick auf die ehemalige spanische Kolonialstadt zu werfen. Ein Animateur stand an der Reling, umringt von einer wachsenden Menge Zuhörern.
»Cartagena war im 16. Jahrhundert die bedeutendste Hafenstadt der Spanier in Südamerika. Von hier aus wurden die erbeuteten Schätze der Ureinwohner nach Spanien verschifft«, erklärte er. »Nach mehreren Piratenüberfällen schützte man die Stadt schließlich durch eine gewaltige Befestigungsanlage. Sie galt deshalb lange als uneinnehmbar und ist auch heute noch die bestbewachte Stadt Kolumbiens.«
Diese Ausführungen hinterließen bei Nina ein beklemmendes Gefühl. In Gedanken wünschte sie sich bereits den Abend herbei.
Die Diamond Dolphin nahm Kurs auf den Containerhafen. Die Aussicht dort war entgegen der farbigen Erzählungen des Animateurs enttäuschend. Rostige Schiffskräne ragten wie dürre Finger in den Himmel und ließen an die Häfen in Mittelamerika denken, die sie bereits gesehen hatten.
»Können wir starten?«, fragte Beate, als sich die Menge auf der Terrasse zu zerstreuen begann.
Nina klopfte zur Bestätigung auf die große Umhängetasche, die an ihrer Hüfte baumelte. Als die Gangway herunter gelassen wurde, waren sie unter den ersten Passagieren, die das Schiff verließen.
Kommissar Winter folgte ihnen unauffällig, nachdem er sie den ganzen Morgen beobachtet hatte. Im Restaurant hatte er sich einen Nischentisch gesucht, der von einer Grünpflanze verdeckt wurde. Dort war er vor den Blicken seiner Schäfchen sicher gewesen. Und doch wurde er von ihrem hastigen Aufbruch überrascht. Fast hätte er sich an dem letzten Bissen seines Muffins verschluckt, so eilig musste er
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