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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone A. Siegler
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Anstrich war abgeblättert, und die rostigen Scharniere quietschten, als Marco vorsichtig die Tür öffnete. Klarerweise lag kein Boot mehr darin. Dafür empfing sie der Geruch nach Moder und Seetang. Durch das undichte Dach fielen ein paar Lichtstrahlen ein und erhellten die verwitterten Holzbohlen eines breiten Stegs.
    »Hier, sieh dir das an!« Marco war neben der Tür in die Hocke gegangen und zeigte auf eine Schnitzerei in der Bretterwand. »Hier habe ich mich als Junge verewigt.«
    »Was steht denn dort?« Interessiert beugte sich Nina über ihn, konnte aber in dem diffusen Licht kaum etwas erkennen.
    »Die Anfangsbuchstaben von mir und meiner Schwester, mit der ich hier immer gespielt habe. M für Marco und D für Daria. Das Gekritzel darunter soll ein Segelboot und eine Palme darstellen.« Ein glückliches Strahlen hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet, als er mit den Fingern über das Holz strich.
    Nina betrachtete die Inschrift genauer und musste beim Anblick der ungelenken, kindlichen Zeichnungen zärtlich lächeln. Verstohlen betrachtete sie Marco von der Seite und sah einen kleinen Jungen mit zerzausten Haaren, der vergnügt über den Strand tobte und dieses Bootshaus, als sein Versteck benutzte.

    Als er sich aufrichtete, streifte er Ninas Körper und blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie die Hitze spüren konnte, die von ihm ausging. Einen schnellen, flüchtigen Herzschlag lang ruhten ihre Blicke ineinander, bis er sich abwandte und sich am Rand des Steges niederließ.
    Versonnen betrachtete er die Schlingpflanzen im Wasser und versank scheinbar völlig in seinen Erinnerungen.
    Sie schwiegen lange Zeit, in der nur das Glucksen der Wellen, die an die Stützpfeiler schlugen, und die kehligen Schreie von Wasservögeln aus dem Dickicht ringsum zu hören waren. Nina lehnte an der Bretterwand und hatte die Augen geschlossen. Sie konnte nicht in Worte fassen, wie sehr es sie beglückte, diesen Moment mit Marco zu teilen. Neugierig, wie sie war, hätte sie gerne mehr über ihn und seine Kindheit in diesem Land erfahren, aber sie rief sich selbst zur Ordnung. Je weniger sie von ihm und seinem Leben wusste, umso leichter ließ sich die ganze Angelegenheit ertragen.
    Dennoch, eine verborgene, elementare Seite in ihr rebellierte gegen diese Einsicht.
    Durch ihre Wimpern hindurch betrachtete sie ihn, registrierte seine angespannten Muskeln, das gut geschnittene Profil. Sie wollte diesen Mann so sehr, dass sie es kaum noch aushalten konnte. Das Ganze ergab überhaupt keinen Sinn – diese Sehnsucht nach jemandem, den sie nicht begehren durfte und der sie schon einmal zurückgewiesen hatte. Der Schmerz darüber brannte immer noch in ihr, quälte sie leise und beständig wie der Rest eines Giftstachels, den man zu entfernen vergessen hatte.
    Trotz allem gelang es ihr nicht, ihren Gefühlsaufruhr unter Kontrolle zu bringen. Die Abgeschiedenheit dieses Ortes, Marcos Nähe und die Erinnerung daran, wie sich seine Lippen auf ihrer Haut angefühlt hatten, waren schließlich zu viel für Ninas Nerven.
    Bevor ihr die Knie weich wurden, tastete sie nach der Türschnalle und blieb erst wieder stehen, als sie den Strand erreicht hatte.

    Was auch immer Marco von ihr denken mochte, er ließ sich nichts anmerken, als er sich kurze Zeit später wieder zu ihr gesellte. Schweigend machten sie sich auf den Rückweg zum Auto, und Marco lenkte den Wagen besonnen über die schmale, kurvige Landstraße in den Süden der Insel. Ihr Ziel war die Ortschaft Pampatar, in der Marcos Freund aus Kindertagen lebte.
    Sein Lokal lag direkt am Wasser, eingebettet zwischen hohen Kokospalmen. Eine Treppe führte zu der erhöht gelegenen hölzernen Veranda hinauf, von der man einen sagenhaften Ausblick auf den Golf hatte. Kaum waren sie oben, wurde eine Tür aufgerissen und ein Bär von einem Mann mit langen, schwarzen Haaren und dunklem Teint schob sich heraus. Er breitete die Arme aus und überschüttete die beiden mit einer Flut spanischer Begrüßungsworte. Nach einer ausgiebigen Umarmung führte er sie zu einem Tisch unter blühenden Oleanderbüschen. Dabei redete er ununterbrochen auf Spanisch, und Nina staunte nicht schlecht, als Marco ihm ebenso fließend antwortete.
    »Das ist also Manolo«, stellte Nina fest, als dieser sie kurz allein gelassen hatte, um einen Begrüßungstrunk zu holen.
    Marco nickte. »Sein Vater war eine Art Hausmeister auf dem Anwesen meiner Familie. In den Ferien waren wir den ganzen Tag zusammen und haben so

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