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Colombian Powder

Colombian Powder

Titel: Colombian Powder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone A. Siegler
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schlanken, dunklen Flasche. »Du magst hoffentlich Rotwein?«
    Eigentlich trank Nina so gut wie nie mehr Wein, seit sie in Berlin lebte. Sie brauchte ihr Geld für wichtigere Dinge, und in den Lokalen, in denen sie normalerweise verkehrte, stand eher Hochprozentiges im Kurs. Auf Hochweden hatte sie die teuren Tropfen aus Vaters Weinkeller jedoch immer gemocht und setzte das Glas nun genussvoll an die Lippen. Der Wein schmeckte herb und ließ ihre Zunge pelzig werden, war ihr aber dennoch nicht unangenehm.
    »Rioja. Mein Lieblingswein. Ich dachte, er passt zu diesem Abend.« Auch Marco nahm sein Glas zur Hand. »Worauf sollen wir anstoßen?«
    »Darauf, dass du mich vorhin erfolgreich an der Nase herumgeführt hast?«
    Er lachte keck. »Entschuldige bitte meinen kleinen Scherz. Dein Gesicht daraufhin war aber auch zu köstlich.«
    Nina spürte, wie sich bei diesem Satz ihre Wangen röteten. Allen glorreichen Vorsätzen zum Trotz hatte sie Gefühle gezeigt, die er niemals registrieren hätte dürfen.

    Der Abend wurde lang und unterhaltsam. Marco erzählte ihr mehr über Venezuela, über die schneebedeckten Gipfel der Anden und die Sümpfe des Orinoco-Deltas. Nina hörte ihm staunend zu und ließ sich dabei den samtigen Wein munden, der ihr immer besser schmeckte. Als sie lange nach dem Dessert endlich aufstanden, hatte sie bereits viel zu viel davon getrunken, und ihr wurde augenblicklich schwindlig. Gerne hätte sie sich bei Marco untergehakt, vermied jedoch sorgfältig jeden Körperkontakt.
    Auf dem Gang vor dem Restaurant kam ihnen Reto entgegen. Nina hatte ihn seit dem Abend in der Disco nicht mehr gesehen, und er erkundigte sich nach Neuigkeiten von Beate.
    Noch bevor Nina die Frage beantworten konnte, drückte Marco zum Abschied kurz ihren Arm. »Ich gehe schlafen. Danke für den netten Abend!«
    Nina starrte ihm verdattert nach. Es schien, als wäre ihm die Ablenkung gerade recht gekommen, um sich abzuseilen.
    Falsche Erwartungen
    Nina war nun allein in der Kabine – nicht ganz. Die Angst war permanent anwesend. Mittlerweile war neben dem Gedanken an die Corte Corbata ein neues Schreckensszenario in ihrem Kopf hinzugekommen. War es möglich, dass sich dieses Drogenkartell – hier spielten scheinbar ein paar Leichen mehr oder weniger keine tragende Rolle – sich nicht nur dreißigtausend Euro ersparen wollte, sondern sich auch noch eine gefährliche Mitwisserin vom Hals schaffen könnte, indem man sie beseitigte? Vor ein paar Wochen hatte sie ausgerechnet Mario Puzzo‘s Der Pate gelesen, nicht unbedingt eine aufbauende Lektüre in ihrer Lage. Beates lockere Sprüche, ihr himmelschreiendes Selbstvertrauen; sie vermisste es, denn es hätte sie aufgebaut.
    Erleichtert, dass wieder eine Nacht voller Albträume vorüber war, stand Nina auf.
    Sie sollte frühstücken gehen, doch anstatt Hunger spürte sie nur nackte Angst in den Eingeweiden. Da konnte auch die beeindruckende Einfahrt in den Hafen von Castries, der Hauptstadt der Insel St. Lucia, mit der Aussicht auf alte Ziegeldächer im Hintergrund und moderne Glasfassaden am Wasser nichts ändern. Selbst das strahlende Wetter schaffte keine Abhilfe.

    Die Meute im Frühstücksrestaurant stürzte sich wie jeden Tag gierig aufs Buffet – man merkte, es war gratis. Nina begnügte sich mit einer Schale Müsli an einem der Stehtische und setzte sich dann in Richtung Ausgang ab.
    Sie war unschlüssig, wie sie den Tag verbringen wollte. Durch irgendetwas oder irgendwie musste sie sich ablenken, soviel war klar. Zögernd nahm sie eine der Broschüren über St. Lucia zur Hand, die in der Informationsecke auflagen. Die Anzeige einer Autovermietung stach ihr ins Auge. Sollte sie die Insel auf eigene Faust erkunden? Auf der Fahrt über die Isla Margarita hatte sie die schlechten Straßenverhältnisse gesehen, und bestimmt war es auf einem so kleinen Eiland wie diesem nicht viel besser. Verlockend wäre es gewesen – aber auch gefährlich. Seufzend legte sie das Faltblatt wieder zurück. Bei ihrem Glück blieb sie auf einer einsamen Piste mit einer Autopanne liegen. Und diesmal konnte sie nicht auf Marco zählen, der zu ihrer Rettung herbeieilte.
    Eine steile Falte entstand zwischen ihren Augenbrauen, wenn sie an den gestrigen Abend dachte. Es war eine ungehobelte Geste gewesen, wie Marco sie nach dem schönen Abend stehen gelassen hatte. Spürte er, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmte? Roch er die Angst, oder konnte sie gar in ihren Augen erkennen?
    Nina atmete tief

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