Colombian Powder
Nina der Mund offen. Einmal mehr fiel ihr erst dann eine passende Antwort ein, nachdem Eggerth sie mit einem zweideutigen Grinsen einfach stehen gelassen hatte.
»Die gebackenen Muscheln schmecken super, findest du nicht?«
Sebastian hatte sich ebenfalls etwas zu Essen geholt, und nun standen sie Seite an Seite an der Reling und blickten auf das dunkle Meer hinaus.
»Ach, Muscheln sollen das sein?« Nina hatte überhaupt nicht aufgepasst, was sie sich da in den Mund steckte. Es hätte ebenso gut Styropor sein können. Gegen ihren Willen wanderte ihr Blick immer wieder zu der fröhlichen Runde hinüber, in der Marco den Mittelpunkt bildete. Die sechs Frauen hingen entzückt an seinen Lippen, und die Hand eines besonders vorwitzigen Mariechens lag bereits demonstrativ auf seiner Sessellehne. Nina schluckte den Bissen mühsam hinunter. Sie wollte den Abend doch genießen! Wie viele ihrer Freunde würden sie um dieses Erlebnis beneiden? Sie wurde von einem Luxusdampfer sanft durch eine tropische Nacht befördert, bediente sich an einem üppigen Buffet und war sich der Bewunderung des durchaus passablen Piratenhauptmanns neben ihr sicher.
Kaum hatte sie zu Ende gegessen, spielte die Steelband wieder auf. Nina hatte vorher noch nie solche Instrumente zu Gesicht bekommen und staunte, dass die Band damit sogar internationale Songs spielen konnte. Als die ersten Takte von Bob Marleys Hit No Woman no Cry ertönten, griff Sebastian nach ihrer Hand. »Du hast mir einen Tanz versprochen!«
Daran konnte sich Nina beim besten Willen nicht erinnern und wollte protestieren, ließ sich aber doch auf die Tanzfläche ziehen. Fester als ihr lieb war presste Sebastian sie an sich. Ein Blick zu Marco hinüber zeigte ihr, dass er noch immer in seine Unterhaltung vertieft war. Es musste ja spannend sein, was ihm sein Harem zu erzählen hatte. Er schien nicht ein einziges Mal aufzusehen, und Nina war überzeugt, dass er sie den ganzen Abend noch nicht bemerkt hatte. Trotzig warf sie den Kopf zurück und blickte in Sebastians Augen, die nur wenige Zentimeter von ihren eigenen entfernt waren. Sie ahnte, was kommen würde und reagierte trotzdem nicht sofort, als er seine Lippen auf ihre presste. Obwohl er ein attraktiver Typ war, konnte und wollte Nina seinen Kuss nicht genießen. Es war zu hart, zu fordernd, und sie wusste ja inzwischen, worauf er sich an diesem Abend Hoffnungen machte.
Gerade wollte sie sich von ihm lösen, als sie aus den Augenwinkeln etwas registrierte, das ihren Herzschlag augenblicklich steigerte. Marco hatte den Kopf gehoben und starrte sie aus großen Augen an, obwohl die Frauen um ihn herum munter weiterschnatterten. Nina beeilte sich Sebastian enger an sich zu drücken, was dieser mit einem immer feurigeren Kuss beantwortete. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Einen Wimpernschlag später tauchte Marco hinter Sebastian auf und tippte ihm auf die Schulter.
»Darf ich jetzt um einen Tanz bitten?«
Sebastian verzog das Gesicht, gab Nina aber widerspruchslos frei.
»Ich warte an der Bar auf dich«, murmelte er, verärgert über die unerwartete Störung. Marco war Gast auf dem Schiff – er ein Angestellter, keine Frage, wer da die besseren Karten hatte.
Marco ließ sich nicht lange bitten und schlang seinen Arm um Ninas Taille. »Dein Begleiter hat dir hoffentlich gesagt, wie umwerfend du in diesem Kleid aussiehst.«
»Er ist nicht mein Begleiter, er ist ein Animateur«, stotterte Nina. Diese Reaktion von Marco hatte sie nicht erwartet. Sie spürte seine große, warme Hand auf ihrem Rücken und musste sich konzentrieren, um nicht aus dem Takt zu kommen und ihm auf die Füße zu treten. Sofort überlief sie ein anregendes Gefühl, das sie in Sebastians Armen nicht gespürt hatte. Ihr Körper schien instinktiv nur auf diesen einen Mann zu reagieren, und es war erschreckend, wie vertraut er ihr in den paar Tagen ihrer Bekanntschaft geworden war.
Als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun, führte er sie sanft und selbstsicher im Rhythmus der Musik über die Tanzfläche. Er hatte sich an diesem Abend nicht rasiert und trug ein enges Hemd, bei dem die obersten Knöpfe offen standen und die glatten Brustmuskeln darunter erahnen ließen.
»Wo hast du denn deinen Fanklub gelassen? Hast du etwa schon alle ins Bett gebracht?« Nina hätte sich für diese Bemerkung ohrfeigen können, es war ihr einfach herausgerutscht.
Ein Blick in die richtige Richtung zeigte ihr jedoch, dass die Frauen immer noch am Tisch
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