Colorado Saga
Valley kenne ich nicht«, antwortete der Engländer, »aber vermutlich liegt es ziemlich hoch.« »Man muß steigen...«, gab Pasquinel zu.
»Das meine ich ja«, sagte der Engländer. »Ich möchte wetten, daß es noch höher oben keine Bäche mehr gibt.«
»Na ja...«, begann Pasquinel. Dann hielt er inne, und seine Miene wurde, für alle Anwesenden deutlich sichtbar, zutiefst betroffen: das Eingeständnis, daß es oberhalb des Blue Valley tatsächlich keine Wasserläufe mehr gab. Es entstand eine peinliche Stille, die er gleich darauf mit einem herzhaften Ausruf unterbrach. »Ach was! Solange die Männer Biberhüte tragen, so lange wird es auch Biber geben!«
Am sechsten Tag nach McKeags Ankunft entstand eine große Aufregung. Ein Pferdetreiber aus Saint Louis war eingetroffen. Er war per Schiff den Missouri heraufgekommen, an der Plattemündung an Land gegangen und hatte seine Lasttiere über den Paß bis zum Bear Lake getrieben. Es war eine erstaunliche Fracht, umfangreich und vielfältig, für die Weißen ebenso verlockend wie für die Indianer.
Da gab es Federmesser, eingemachte Pfirsiche, neue Pistolen, bessere Messer, Tuche und Perlen in jeder Menge, Schuhe, getrocknetes und geräuchertes Rindfleisch, gepökeltes Schweinefleisch, französischen Wein, englischen Brandy und Kentucky-Whisky. Es gab kleine Fäßchen mit Süßigkeiten, nach denen die Männer mit der Gier kleiner Kinder griffen, harte, aber süße Kekse, Gabeln, Hämmer, Schraubenzieher und getrocknete Hühner.
Der Mann aus Saint Louis, der die Ladung dieser zweiundzwanzig Pferde zusammengestellt hatte, mußte ein geniales Einfühlungsvermögen haben, denn als die Waren abgeladen wurden, war für jeden etwas dabei. Die Sachen waren in Saint Louis für viertausend Dollar eingekauft worden; beim Treffen würden sie sich für fünfzigtausend verkaufen lassen.
McKeag kaufte nichts, erwog nicht einmal die Möglichkeit eines Kaufes, denn für sein einfaches Leben hatte er alles, was er brauchte. Blei und Pulver erwarb er in regelmäßigen Abständen von Männern, die an seinem einsamen Lagerplatz vorbeikamen. Sich einen Luxus wie eingemachte Pfirsiche zu erlauben, überstieg seine Vorstellungskraft. Und dennoch lernte er bei diesem Treffen eine ganz neue Art von Vergnügen kennen, die so verführerisch war, daß er ihr augenblicklich und für immer verfiel.
An einem Spätnachmittag stand er müßig vor dem Zelt eines Kaufmanns aus Oregon, eines Engländers namens Haversham, der einzige, der bei dem Treffen europäisch gekleidet war, und dieser Haversham fragte ihn: »Möchten Sie eine Tasse Tee?« Es war sehr lange her, daß McKeag richtigen Tee getrunken hatte, deswegen antwortete er: »Vielen Dank, gerne.«
Der Engländer hatte zwei Porzellantassen und eine kleine Porzellankanne. Er spülte die Tassen mit heißem Wasser aus, holte eine quadratische braune Blechbüchse hervor, öffnete sie vorsichtig und tat eine kleine Menge Blätter in die Kanne. In McKeags Augen unterschieden sie sich nicht von den Teeblättern, die seine Mutter verwendet hatte, als Haversham ihm jedoch eingeschenkt hatte und er den ersten Schluck trank, stieg ihm ein Duft in die Nase, wie er ihn noch niemals zuvor erlebt hatte. Der Tee schmeckte besser als alles, was er bisher probiert hatte, besser sogar als jeder Whisky. Er schmeckte nach Teer, auch ein wenig nach Salz; es war ein Tee für Männer, stark und schwer.
»Was ist das?« fragte er. Haversham zeigte auf einen braunen Kanister, McKeag aber sagte: »Ich kann nicht lesen.«
Haversham deutete auf die Schrift und auf die Szene mit den Teepflückern in Indien. »Lapsang souchong«, erklärte er. »Der beste Tee in der ganzen Welt.« Impulsiv fragte McKeag: »Verkaufen Sie den auch?« »Natürlich. Wir sind Großhändler.« Dieser Tee, erklärte ihm Haversham, werde in Indien hauptsächlich für Seeleute gemischt. Die Trockenmethode, die dabei angewendet werde, sei das Geheimnis der Hersteller. Normalerweise komme er von Indien nach London, die englischen Händler in Oregon importierten den ihren jedoch aus China.
»Wie lange hält so eine Büchse?« fragte McKeag, nun wieder vorsichtig.
»Praktisch ewig... Natürlich nur mit dem Deckel drauf.«
»Ich meine, wie viele Tassen.«
»Ich gehe sehr sparsam damit um. Bei mir hält sie ungefähr ein Jahr.«
»Ich nehme zwei«, entschied McKeag, ohne sich nach dem Preis zu erkundigen. Der Tee war teuer, und während er den kleinen, ihm verbliebenen Vorrat an Münzen
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