Colorado Saga
wieder in den Gürtel steckte, erklärte ihm Haversham: »Das Geheimnis beim Aufbrühen eines guten Lapsang souchong liegt darin, daß man die Tasse zuerst anwärmen muß. Gut anwärmen. Dann intensiviert sich das Aroma.« McKeag verstaute die beiden Kanister tief unter seinen anderen Besitztümern, denn er wußte, daß sie eine Kostbarkeit waren.
In den letzten Tagen des großen Treffens ereignete sich dann etwas, was eine nachhaltige Wirkung auf McKeag ausüben sollte. Eines Nachmittags trug einer der Männer aus Santa Fe die gelbe Schürze, und zahlreiche Trapper hatten bereits mit ihm getanzt, ihn in improvisierten Quadrillen herumgeschwenkt, die sie aus Kentucky kannten. Nach einer Weile war der Mann müde geworden, hatte die Hände gehoben und gesagt, er habe genug, also wurde die gelbe Schürze an einen Engländer aus Oregon weitergereicht, der für seine Tanzschritte im englischen Stil lebhaften Applaus erhielt. Ein halbes Dutzend Amerikaner wollte mit ihm tanzen, und er stellte sich sehr geschickt an, als es darum ging, sich ihren eckigen Bewegungen anzupassen Einstimmig lautete das Urteil, daß er ein hervorragender Tänzer sei, mit der Zeit aber ermüdete auch er und gab die Schürze an den ersten Mann weiter, der ihm im Weg stand.
Das war nun zufällig McKeag. Er war verlegen. Vom Tanzen verstand er nur sehr wenig, schon gar nichts von den Damenschritten. Er fingerte an der Schürze herum, ließ sie fallen, hob sie wieder auf und versuchte, sie einem anderen aufzudrängen.
»Tanzen! Tanzen!« schrien die Trapper. Irgend jemand band ihm die Schürze um. Hände schoben ihn auf den Tanzplatz, wo er mit törichtem Gesicht unentschlossen stehenblieb. Ein Kanadier mit einer Fiedel, der wußte, daß McKeag Schotte war, stimmte ein Hochlandlied an, und plötzlich kehrten ferne Erinnerungen an seine Knabenzeit im schottischen Hochland zurück, Erinnerungen an einen primitiven Tanz.
Ungeschickt tat er die ersten Schritte. Dann nahmen seine Füße den Rhythmus auf, versuchten ihn zögernd wiederzugeben. Er wiegte sich hin und her. Den Kopf kokett zur Seite gelegt, erinnerte er sich nach und nach wieder der Schritte. Langsam, mit einem fast hörbaren Knirschen der eingerosteten Gelenke, begann er zu tanzen. Die furchtbare Einsamkeit der letzten Jahre fiel von ihm ab, und durch den Tanz wurde seine Seele wieder gesund.
Während er sich noch auf die Schritte konzentrierte, spürte er, daß sich ein neuer Zuschauer zu den anderen gesellt hatte. Er fürchtete, mit einem Partner zusammen eine lächerliche Figur abzugeben. Dann blickte er auf: Es war Pasquinel, betrunken und schon wieder zu einem dummen Streich aufgelegt. Als sich ihre Blicke trafen, erkannte Pasquinel, daß sein Freund Angst hatte, und sofort vergaß er die Dummheiten, die er im Sinn hatte. Langsam begannen sich seine Füße im Rhythmus zu bewegen. Was daraus entstand, konnte man kaum als Tanz bezeichnen, denn es besaß wenig Grazie und noch weniger Rhythmus, aber die Zuschauer sahen respektvoll den beiden Männern zu. Der Tanz erreichte seinen Höhepunkt. Pasquinel keuchte und ließ seine linke Schulter auffallend hängen. McKeag schloß beide Augen, um sich völlig der Musik hinzugeben, und war zum erstenmal seit vielen Jahren von Herzen glücklich. »Ich war so einsam«, murmelte er vor sich hin. Doch kaum hatte er dies ausgesprochen, da hörte er die Trapper rufen: »Macht Platz! Er braucht Luft!« Und als er die Augen öffnete, sah er, daß sein Partner ohnmächtig geworden war.
Als sie Pasquinel lang ausgestreckt hatten und McKeag, immer noch in der gelben Schürze, an seiner Seite saß, öffnete er auf einmal die Augen und flüsterte: »Der Pfeil...«
Sie baten ein paar Arapaho-Frauen, sich um ihn zu kümmern; McKeag führte die Aufsicht, als sie ihn in ein Tipi trugen, wo sie ihn mit dem Gesicht nach unten auf ein paar Büffelfelle legten. Sanft massierten ihm die Frauen den Rücken, tasteten nach dem eingewachsenen Pfeil und manövrierten ihn behutsam in eine Position, wo er weniger Schmerzen verursachte.
Im Laufe der Nacht hörte Haversham von diesem Zwischenfall und sagte hochtrabend: »Ist doch ganz einfach. Der Pfeil muß raus.« Er gehörte zu jenem übereifrigen Typ Engländer, für den das Wort »unmöglich« nicht existierte. »Ich hab' in meinem
Leben schon manche Kugel rausgeschnitten«, erklärte er voll Energie. »Laßt mich mal sehen.«
Also begab er sich ins Arapaho-Tipi und bat eine Squaw, eine Laterne über Pasquinels
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