Colorado Saga
Rücken zu halten, damit er die uralte Wunde untersuchen könne. »Den würde ich keinen Tag länger drin lassen, alter Freund«, erklärte er sachverständig. »Ich werde ihn rausschneiden, sobald es hell wird.« Damit kehrte er zu seinem Zeltladen zurück, schliff ein
Schlachtermesser, bis es scharf war wie eine
Rasierklinge, trank eine ganze Flasche Whisky und versank in trunkenen Schlaf.
Um vier Uhr morgens war er auf und machte ein kleines Feuer, in dem er das Messer sterilisierte. Dann stellte er einen Stuhl in die Sonne und rief laut: »Bringt ihn hierher!«
McKeag, die beiden Pasquinel-Söhne und drei Arapaho-Frauen trugen den Kranken zum
Operationsstuhl und setzten ihn so hin, daß seine Arme über die Rückenlehne herabhingen. »Festbinden!« befahl Haversham, also wurden ihm die Arme mit Riemen an den Stuhl gefesselt. »Beine
auch«, verlangte Haversham. Als Pasquinel fest angeschnürt war, nahm der Chirurg sein Messer zur Hand, schlitzte den Hemdrücken von oben bis unten auf und legte die alte Narbe frei.
Das Hemd hätte er ihm auch ausziehen können, bevor er ihn anbinden ließ, dachte McKeag.
Aber der Chirurg beschäftigte sich bereits mit anderen Problemen. Nachdem er das Messer in Whisky gereinigt hatte, schwenkte er es zum Trocknen durch die Luft. Dann gab er Pasquinel einen kräftigen Schluck Whisky, trank selber auch einen, tätschelte dem Angebundenen den Kopf und versicherte ihm tröstend: »Ich mache so was nicht zum erstenmal.« Dann baute er sich hinter Pasquinel auf, musterte eingehend dessen Muskeln und öffnete ihm mit tiefen, sicheren Schnitten den Rücken.
Pasquinel gab keinen Laut von sich. »Gebt ihm eine Pistole zum Draufbeißen«, befahl Haversham - etwas spät, doch es erwies sich als überflüssig. Pasquinel hatte alle Kräfte gesammelt, ein Schmerz mußte um vieles heftiger werden, bevor er reagierte.
Der Rücken war also aufgeschnitten, die Pfeilspitze lag frei. Mit der Spitze des Schlachtmessers versuchte Haversham sie herauszuholen, aber es hatten sich Knorpel um sie herum gebildet, die sie fest an das Rückgrat und die Rippen preßten. »Whisky!« rief Haversham und befahl, ihm etwas davon über die Finger der rechten Hand zu gießen.
Ohne zu zögern, stieß er dann seine Finger rücksichtslos in die blutige Wunde, packte die Pfeilspitze an einer Seite, drehte sie dreimal hin und her. »Achtung!« rief er, und Pasquinel, dem der Schweiß übers Gesicht strömte, heftete den Blick stoisch auf den Horizont.
Mit einer kraftvollen Drehung stieß Haversham die Pfeilspitze tiefer ins Fleisch, zerbrach das Knorpelgewebe und riß den Fremdkörper aus seinem alten Gefängnis heraus. Er hielt ihn Pasquinel vor die Nase, der nun, beim Anblick der blutüberströmten Hände des Chirurgen, beinahe in Ohnmacht fiel.
Es war halb sechs Uhr morgens. Haversham blieb den ganzen Tag lang betrunken und wollte keinen Menschen sehen. Pasquinel dagegen, gestärkt durch einige Gläser Taos Lightning, hatte sich überraschend schnell erholt und stolperte gegen Abend schon wieder im Lager herum. Den Arapaho-Frauen war er für ihre Hilfe so dankbar, daß er eine Party arrangierte und eine Menge Geld für Drinks und Geschenke ausgab, doch Haversham, der Held des Geschehens, nahm nicht an diesem Vergnügen teil. Statt dessen blieb er in seinem Zelt - von Entsetzen überwältigt, weil ihm klargeworden war, was er getan hatte. Er hatte zum erstenmal einen Menschen aufgeschnitten. Da war so viel mehr Blut gewesen, als er es erwartet hatte... der
Pfeil hatte so furchtbar fest gesessen! Und zum Schluß hatte er die Finger direkt unter das Rückgrat des Mannes geschoben. Den Knochen konnte er jetzt noch spüren. Ihm war übel.
Als die Party ausgelassener wurde, kam einer der Männer von der Hudson's Bay zu McKeag, ein Trapper aus Montreal, der ihn mit ernstem Gesicht auf die Seite zog. »Pasquinel ist doch dein Partner, nicht wahr?« erkundigte er sich. Die zutreffende Antwort auf diese Frage hätte lauten müssen: »Ja und nein.« Also versuchte McKeag sich davor zu drücken und sagte gar nichts, und der Kanadier fragte weiter: »Stimmt es, daß er in Saint Louis eine Frau hat?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich meine nicht seine Indianerfrau. Jeder vernünftige Mann hat eine Indianerfrau - mindestens eine.« Ein wenig nervös lachte er über den eigenen Witz. »Was ich damit sagen will«, fuhr er zögernd fort, »in Montreal hat er nämlich eine richtige
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