Colorado Saga
deren Fuß McKeag einst seinen Unterstand gehabt hatte. Einige der Balken waren noch da, weitere konnten zurechtgeschnitten werden; also baute er sich eine primitive Hütte an einer Stelle, die seit zwölftausend Jahren immer wieder von Männern aufgesucht worden war.
Er nahm die typischen Eigenarten eines Eremiten an, sprach mit den Wildenten, die auf dem kleinen Fluß schwammen, und betrachtete die Gabelböcke als seine Freunde. Er machte sich schwere Vorwürfe, Elly in dieses trostlose Land gebracht zu haben und dann, als er den drohenden Elefanten sah, umgekehrt zu sein. Er redete sich ein, daß sie noch am Leben wäre, wenn sie weiter Richtung Oregon gezogen wären. Ihr Sohn würde nun schon bald auf der Welt sein... Er wurde halb verrückt bei diesen Gedanken.
Der Schnee kam viel früher als gewöhnlich. Levi war den größten Teil des Dezembers völlig eingeschneit.
Der Februar war ein besonders böser Monat, und Levi wurde zum Tier; er urinierte in einer Ecke der Hütte und ließ zu, daß seine Exkremente zu einem Haufen anwuchsen. Nie ging er vor die Tür, keine Sekunde lang hörte er auf, sich wegen Ellys Tod zu kasteien. Wenn der März Wirbelstürme mit sich brächte, wie es häufig vorkam, würde er bald sterben.
Inzwischen beobachtete Tönerne Schale das Wetter und überlegte, wie hoch der Schnee wohl an den Kalkklippen liegen würde. Sie konnte sich vorstellen, wie es um den eingeschlossenen Deutschen stand. Als gegen Ende Februar Tauwetter einsetzte, sagte sie zu Lucinda: »Nimm zwei Pferde und reite zu den
Kalkklippen.«
»Warum soll gerade sie reiten?«
»Er wird jetzt bereit sein zurückzukommen.«
»Dann hole ich ihn«, erbot sich McKeag.
»Dich braucht er nicht«, erwiderte sie. »Nur Lucinda kann ihn retten.« Ihre Worte verrieten große Weisheit; denn obgleich die indianische Tradition es verlangt, daß ein Mädchen als Jungfrau in die Ehe geht, war es Tönerne Schale klar, daß hier ein Menschenleben auf dem Spiel stand, und sie war bereit, ihre Tochter zu einem Mann zu schicken, der seit Monaten keine Menschenseele gesehen hatte. In Wahrheit ging es sogar noch um ein anderes Leben. Sie hatte in Fort John zu ihrem Kummer bemerkt, daß Lucinda ihre Aufmerksamkeit von einem unnützen Trapper auf den nächsten verschwendet hatte. Sie hatte damals befürchtet, daß es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis ihre Tochter mit irgendeinem alten Nichtsnutz wie Sam Purchas auf und davon ginge, und das konnte sie einfach nicht zulassen.
»Geh zu ihm«, sagte sie, und Lucinda sattelte zwei Schecken und ritt westwärts.
Als sie zu den Felsen kam, brauchte sie einige Zeit, bis sie Zendts Schlupfloch fand. Endlich entdeckte sie die Hütte am nördlichen Ende der Felsen. Sie stellte sich vor den Eingang und rief: »Zendt! Zendt!«
Erst nach ziemlich langer Zeit bekam sie Antwort. Ein bärtiger, triefäugiger Mann tauchte auf, der gegen die Sonne blinzelte. »Oh, bist du schmutzig!« rief sie und ging, obwohl er sie schwächlich davon abzuhalten versuchte, ins Innere, um den entsetzlichen Zustand der Hütte zu inspizieren.
»Zendt! Wie hast du das nur ausgehalten!« Sie begann, die Hütte wieder menschlich zu machen, und merkte während der Arbeit, daß er viel zu schwach zum Helfen oder auch zum Heimreiten war. Also bereitete sie ihm ein neues Lager aus frisch geschnittenen Weidenzweigen, die der Biber nicht mehr für seine Bauten brauchte. Dann entfachte sie ein Feuer und bereitete etwas Warmes zu essen, das er gierig verschlang. Sie lud die mitgebrachten Dinge von den Schecken und machte sich an seinem Fußende ein Bett aus zwei Büffeldecken. Er schlief schon tief, bevor sie sich hinlegte.
Am Morgen, als er die geschwächten Augen aufschlug und sah, daß sie bei ihm geblieben war, fragte er mit stockender Stimme: »Warum tust du das?« Sie antwortete: »Meine Mutter hat mich geschickt. Wir haben dich lieb, Zendt, und wollen nicht, daß du stirbst.« Die Verzweiflung der letzten Monate überwältigte ihn, und er verbarg sein Gesicht und weinte.
Sie brachte ihn wieder zu Kräften und sagte ihm an einem Tag Mitte März, daß er ein Stückchen reiten solle. Sie merkten beide, daß er bald kräftig genug für den Heimritt sein würde. Es war ein wunderschöner Tag, und sie ritten ein Stück weit über die Ebene. Sie zeigte ihm den kleinen Steinbiber, der die Felsen hinaufkletterte. In dieser Nacht legte sie sich zu ihm aufs Lager. Einen Augenblick lang
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