Colorado Saga
war er verwirrt, und die Erinnerung an Elly Zahm stand zwischen ihnen, aber er war erst vierundzwanzig und ihre Leidenschaft überwältigte ihn. Während sich der Frühling immer mehr ankündigte, erlebten sie eine atemberaubend schöne Woche, und Levi gewann neue Kraft.
Die Zeit für den Rückritt war gekommen. Sie sattelten die Pferde, beluden sie mit ihren Sachen und begannen den langen Heimritt. Da dieser Winter viel Schnee gebracht hatte, war der Boden sehr feucht. Hunderttausende von Blumen brachen hervor, gelbe, blaue, weiße und rote. Die Prärie war ein einziger Blütenteppich, ein schönerer Anblick, als sich Levi je zuvor geboten hatte; schöner als seine Wäldchen in Lancaster, in denen die Bäume schier ewig standen, während die Blumen hier nur ein paar Tage lang blühten und verwelkten, wenn die heiße Sonne sie traf.
Manchmal saß nur Lucinda zu Pferde, und Levi führte sie über die Blumen dahin, zu anderen Zeiten ließen sie die Pferde laufen, wohin sie wollten, und die Tiere rochen den Platte und wandten sich südwärts. Dann folgten sie dem Fluß, bis sie zu ihrem Heim kamen. »Gut, daß ihr zurück seid«, sagte McKeag und zeigte Zendt die Verbesserungen, die er während des Winters vollbracht hatte.
»Du bist mager«, sagte Tönerne Schale. Weitere Kommentare wurden nicht geäußert. Doch Levi Zendt bat die Familie McKeag, sich mit ihm in die Sonne vors Haus zu setzen. Dann sagte er: »Alexander, ich möchte deine Tochter heiraten.«
»Wird auch höchste Zeit«, erwiderte der Schotte. »Aber ich kann sie erst heiraten, wenn sie eine Christin ist.«
»Gut, dann ist sie eben eine Christin.«
»Sie muß erst konfirmiert werden... und außerdem soll sie die Bibel lesen können.«
»Ich kann's ihr nicht beibringen, und Tönerne Schale auch nicht. Sieht so aus, als ob's bei dir hängenbleibt.«
»Ich bin kein Lehrer, Alexander.« Darauf folgte eine nachdenkliche Pause, die Levi mit einem bemerkenswerten Vorschlag brach: »Ich hab' mir überlegt: du könntest Lucinda mitnehmen, wenn du in St. Louis für uns Waren kaufst, und sie dort in eine Schule stecken.«
Alle sahen die Vorteile dieses Vorschlagsein. Tönerne Schale wollte, daß ihre Tochter lesen lernte, Lucinda hatte immer schon St. Louis kennenlernen wollen, und Alexander McKeag war es klar, daß ein so wertvolles Leben wie das seiner Tochter nicht vergeudet werden durfte. Daher machte er noch einen zusätzlichen Vorschlag. »Ich habe ein Zimmer in St. Louis... bei Pasquinels dortiger Frau. Tönerne Schale wird mit dem Mädchen dort wohnen, bis sie die Bibel lesen kann.« Schon nach zwei Tagen hatten sie alles gepackt und waren bereit für die lange Fahrt nach St. Louis. McKeag freute sich darauf, seiner Tochter die Stadt zeigen zu können, die eine so wichtige Rolle in Pasquinels Leben gespielt hatte. »Und wenn ich schon mal dort bin, werde ich unsere Ansprüche auf das Land hier beurkunden lassen.«
»Wo?« fragte Levi.
»Das weiß ich nicht. Aber glaub' mir, es ist wichtig, daß es irgendwo schwarz auf weiß steht... mit Stempeln und Siegeln drauf.«
Diese Vorstellung gefiel auch Levi, und er sagte: »Bevor du gehst, möchte ich noch ein Stück Land an den Kalkklippen abstecken.«
»Was willst du denn mit diesem gottverlassenen Fleck?«
»Er war sehr wichtig für mich«, erwiderte Levi ruhig. Er und Lucinda sattelten die besten Schecken und galoppierten westwärts den Felsen zu, wo sie Schößlinge schnitten und damit vor dem Kliff ein Viereck absteckten. Als Levi den Platz wiedersah, wurde ihm plötzlich klar, was ihn mit Lucinda verband: Es war Liebe in ihrer immerwährenden Bedeutung, ganz anders als das, was er mit Elly erlebt hatte. Und er flüsterte: »Du mußt wieder aus St. Louis zurückkommen. Ich brauche dich.«
»Und ich brauche dich«, sagte sie. In diesem Augenblick liebte sie ihn sogar mehr als er sie; sie wußte, daß sie nur um Haaresbreite dem Schicksal entgangen war, das Besitztum irgendeines tabakverfleckten Dummkopfs zu werden, der den Biber suchte, den es schon lang nicht mehr gab, oder nach Gold grub, das ihm verborgen bleiben würde.
Die Meldung, daß Tönerne Schale ihre Tochter Lucinda McKeag mit dem Flußboot nach St. Louis brachte, ging in die Chronik der Stadt ein. Sie stiegen den Hügel hinauf zur Vierten Straße und klopften um sieben Uhr früh mit dem Messingklopfer an Lise Bockweiß-Pasquinels Backsteinhaus. »Ich bin wegen meines Zimmers gekommen«, kündigte McKeag an, als Lise sich
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