Colorado Saga
mir, wie sie zu Hunderten auf diesen Hügeln lagern.«
Die anderen konnten ihre Begeisterung über dieses Bild nicht teilen, Hauptmann Ketchum wand sich geradezu vor Sorgen. Mit nur zwei Kompanien Dragoner und einer Kompanie Infanterie das Fort zu verteidigen, die ankommenden Trecks zu schützen und den Kommissaren zu helfen, wenn daneben der Besuch von sechshundert indianischen Kriegern zu erwarten war, das erschien ihm als eine aussichtslose Aufgabe. Sobald er und Mercy allein in seinem Quartier saßen, sagte er: »Mercy, ich brauche feste Zusagen. Kann ich mit wenigstens tausend Mann Verstärkung rechnen?«
»Ohne jede Frage!« antwortete Mercy.
»Und es werden tatsächlich siebenundzwanzig Wagen mit Geschenken kommen? Wir haben hier fast nichts mehr übrig, und die Indianer werden niemals einen Vertrag anerkennen, der nicht mit Geschenken untermauert wird.«
»Ich habe die Wagen in Kansas City selber gesehen Messer, Gewehre, Nahrung, alles mögliche.« Er brach in Gelächter aus: »Und für die Häuptlinge eine besondere Überraschung. Jedesmal, wenn ich mir sage, daß in Washington lauter Esel sitzen, dann kommt plötzlich einer mit einer großartigen Idee.« »Was ist es?« fragte Ketchum mißtrauisch.
»Sie werden Augen machen«, antwortete Mercy. Dann wandte er sich ernsteren Fragen zu: »Wir haben alle Stämme zwischen Kanada und Texas eingeladen. Wir wollen einen Vertrag schließen, in dem alles geklärt wird.«
»Werden alle diese Stämme Vertreter schicken?« fragte Ketchum.
»Das muß ich erst herausfinden. Wo kampieren die Arapaho und die Cheyenne?«
Hauptmann Ketchum ließ Strunk holen und fragte: »Wo halten sich die Stämme zur Zeit auf?«
»Das letzte war, daß die Sioux westlich der Gabelung sind, die Shoshone weit im Westen von Laramie Park, die Cheyenne unten am Horse Creek, die Arapaho am Scott's Bluffs.« Er wollte noch sechs oder sieben Lageangaben machen, aber Mercy hatte genug gehört. »Wäre es möglich, daß Strunk und ich zu den Cheyenne reiten, und zwar jetzt sofort?« »Selbstverständlich«, antwortete Ketchum. Und sie stellten einen Trupp von neun Mann auf.
»Zeigen Sie Lisette inzwischen, wo sie unsere Sachen unterbringen kann«, sagte Mercy, während er seinen Sattel einem frischen Pferd auflud.
»Seit wann hinken Sie?« fragte Ketchum. »Chapultepec«, antwortete Mercy sachlich. »Mit General Scott.«
»War es sehr arg da unten?«
»Oft passierte tagelang überhaupt nichts, kein Mexikaner weit und breit, dann plötzlich gruben sie sich irgendwo ein, und die Hölle ging los.«
»Kämpften sie gut?«
»Auf dem eigenen Boden kämpft jeder gut.«
»Können die Ärzte nichts für das Bein tun?«
»Die Hüfte ist es. Nein. Ich werde bis an mein Lebensende Major bleiben. Ein Krüppel, der sich glücklich schätzen kann, daß er überhaupt noch am Leben ist.« Damit sprang er so gewandt in den Sattel, als wäre seine Hüfte noch ganz, und machte sich auf zum Horse Creek.
Dreißig Meilen lang ritt die Gruppe den Platte entlang, bis dorthin, wo der Horse Creek in den größeren Fluß mündete. Einige Meilen weiter im Süden fanden sie die hohen, schmucken Tipis der Cheyenne, wie immer kreisförmig aufgestellt. Die Seitenklappen der Tipis waren emporgeschlagen damit Luft in die Zelte kam. Das Dorf machte einen angenehmen, geordneten Eindruck, ein Zeichen für die innere und äußere Festigkeit dieses Stammes.
»Wo ist Krummdaumen?« fragte Strunk in der Cheyenne-Sprache.
»In diesem Tipi dort«, antwortete ihnen ein Junge, und die Männer ritten hin.
Nur Strunk und Mercy stiegen ab, die sieben Soldaten hielten zu Pferd Wache, die Gewehre schußbereit quer über die Sättel gelegt.
Major Mercy bückte sich und betrat das Tipi. Seine Augen konnten sich nicht gleich an die Dunkelheit im Innern gewöhnen, aber nach einigen Augenblicken erkannte er fünf Indianer vor sich. Sie waren ohne besonderes Zeremoniell gekleidet. Die Männer, die hier im Dunkel beisammensaßen, würden die Geschicke ihres Volkes in den nächsten vierzehn Jahren bestimmen.
In der Mitte der Indianer saß ein Mann, den Mercy gut kannte. Er hatte eine dunkle Schramme über der rechten Wange, und dem kleinen Finger seiner linken Hand fehlte die Spitze. Dieser Mann war Jake Pasquinel, sein Schwager, zweiundvierzig Jahre alt und voll von der Verbitterung, die einen Mann dieses Alters erfüllt, wenn er plötzlich erkennen muß, daß er alles falsch gemacht hat. Statt bei den Arapaho zu bleiben, bei denen er
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