Colorado Saga
hochragender Steinsäulen etwas eigenartig aus. Vor etwa elftausend Jahren, als die Hauptzüge der Gebirgslandschaft der neuen Rockies längst festgelegt waren und die Landschaft bereits so hübsch aussah wie heute, ergoß sich an der Stelle, an der später Centennial stehen sollte, ein kleiner, schlammiger Bach in unseren Fluß. Er kam von Norden und muß zu seiner Zeit dem Hauptfluß bei seiner Aufgabe, das von den Bergen herabgekommene Geröll zu zermahlen, wertvolle Hilfe geleistet haben. Nun aber war er ein elendes Rinnsal, das kaum noch Wasser führte und eher als Abflußgraben diente denn als Fluß.
Entlang seines Westufers jedoch, nicht weit von dem Punkt, an dem er sich mit dem Fluß vereinte, waren seine tastenden Finger ungefähr zweieinhalb Meter in eine Tasche löslichen Gesteins unter der Erdoberfläche gestoßen. Hier formten sie eine verborgene Höhle, knappe zwei Meter lang und höchstens eineinhalb Meter breit. Die Höhle wäre kaum jemals entdeckt worden, hätte sich nicht elftausend Jahre nach ihrer Entstehung hier ein dramatisches Geschehen abgespielt.
Die Bühne wäre also bereit. Eine Milliarde siebenhundert Millionen Jahre dauerte die Aktivität, in deren Verlauf mindestens zwei hohe Bergketten aufgebaut und riesige Binnenmeere geschaffen wurden, ehe dieser Landstrich seine endgültige Form annahm. Jetzt konnte er mit Lebewesen bevölkert werden.
Es ist ein unwirtlicher Landstrich, ganz anders als die Gegend etwas weiter östlich in Kansas oder weit im Osten bei den Appalachen. Der Boden ist hart, steinig und schwer zu bearbeiten. Es fehlt die Ackerkrume zum Pflügen. Es fehlen Bäume und natürlicher Schutz. Eine Familie kann wochenlang über dieses Gelände wandern, ohne genügend Holz für den Bau ihres Hauses zu finden.
Auch Wasser fehlt - mein Gott, wie sehr das Wasser fehlt! Die Regenmenge in Centennial beträgt im Jahr nur zweiunddreißig Zentimeter, während doch jeder Farmer weiß, daß er zum Anbau von kümmerlichem Mais oder Weizen mindestens dreiundfünfzig braucht. Die extremen Temperaturen sind nahezu unerträglich, sie schwanken von zweiundvierzig Grad Celsius im August bis zu sechsunddreißig Grad minus im Februar. Das Land ist unkontrollierbaren Launen der Natur unterworfen. Manchmal fällt jahrelang kein Tropfen Regen, so daß die Ernten verderben und die Existenz der Menschen gefährdet ist.In Abständen von sechzig bis siebzig Jahren fegen unvorhersehbare Stürme über die Prärien, verheeren den Boden und alles, was darauf wächst. Staubstürme, schlimmer und anhaltender als Hurrikane, suchen das Land monatelang heim und füllen alles mit Sand. Und als wäre das immer noch nicht genug, tauchen plötzlich aus unerklärten Gründen riesige
Heuschreckenschwärme im Westen auf und verdunkeln für drei bis vier Tage den Himmel. Diese Schwärme sind größer als Gewitterwolken, fallen da und dort über das Land her und fressen alles, was grün ist.
Das Land schreit nach Wasser. Die dürrste Wüste, sogar das öde Land rings um die beiden Steinsäulen, würde blühen, wenn man nur Wasser hinführen könnte. Das Kernproblem dieses Gebietes wird immer darin bestehen, Wasser in dieses Land zu bringen. Wenn das gelingt, steht den Menschen ein Paradies zur Verfügung.
Und schließlich ist da noch der Fluß, dieses traurige, verwirrende Nichts von einem Fluß. Er führt kaum
Wasser, und wenn er doch ein bißchen Wasser hat, dann weiß er nicht, wohin damit. Kein Schiff, nicht einmal ein Kanu kann ihn mit einiger Sicherheit befahren. Er ist die Zielscheibe des Spottes, es gibt mehr Witze über ihn als über jeden anderen Fluß der Erde, und der größte aller Witze ist es bereits, ihn überhaupt einen Fluß zu nennen. Er ist ein Sandbett, eine vage Idee, ein überflüssiges Ärgernis, eine Frustration, aber kaum hat man all diese Anschuldigungen ausgesprochen, da wächst er plötzlich, schwillt an, wird eine Meile breit, überschwemmt die bebauten Felder und verwüstet die Farmen.
Sein Name ist genauso flach wie sein Bett - South Platte -, doch eine Zeitlang war er ein königlicher Wasserweg. Er bestimmte den Lauf aufregender Abenteuer und war das Werkzeug, das den Abenteurern das Leben ermöglichte Einstmals so mächtig, daß er einen Kontinent errichten half, ist er jetzt nur noch eine armselige, unvermeidliche Plage.
Die Bewohner
Ein jedes Stück Land - der Mond, zum Beispiel - kann für sich allein schon interessant genug sein, von größerer Bedeutung
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