Colorado Saga
Wasser zu treiben, war in Wirklichkeit jedoch die höchst ungewöhnliche Nase eines Tieres, dessen Nasenlöcher oben auf seinem Kopf lagen. Das Tier selbst reichte bis auf den Boden der Lagune.
Nun begann der schwimmende Buckel, wie es das zusehende Pelztier erwartet hatte, sich langsam aus dem Wasser zu heben. Er war Teil eines Kopfes, der keineswegs besonders groß war, eindeutig aber zu einem Tier gehörte, das wesentlich größer sein mußte als der Dinosaurier und das Krokodil. Immer höher hob sich der Kopf aus dem Wasser, immer höher, bis er in einem wunderschönen Bogen am Ende eines langen, graziösen Halses acht Meter über dem Wasser stand. Es sah aus, als steige ein Ball endlos an einem dünnen Draht empor. Minutenlang wand sich der winzige Kopf mit zierlichen Bewegungen hin und her.
Dann waren die kleinen Augen zu beiden Seiten der Nase an der Oberseite des Schädels anscheinend zufrieden mit dem, was sie ringsum sahen, denn nun erfolgte eine weitere Bewegung.
Zentimeter um Zentimeter begann sich nun, schlammiges Wasser von sich schüttelnd, ein gigantischer Körper aus der Lagune zu heben. Langsam, ganz langsam tauchte dieses Riesending auf, bis es sich als monströser Berg dunklen Fleisches entpuppte, mit dem der lange Hals verbunden war.
Der Körper dieses großen Reptils sah aus, als wäre er ungefähr vier Meter hoch, wieviel von ihm jedoch noch unter Wasser verborgen war, war nicht zu erkennen: Es mußte jedenfalls sehr, sehr tief sein. Und während das Pelztier am Ufer zuschaute, setzte sich dieser massige Körper langsam, rhythmisch in Bewegung. Dort, wo der Hals in den plumpen, dunklen Leib überging, brachen sich kleine, leichte Wellen und glitten an den Flanken des Tieres entlang. Als sich der Oberkörper schwerfällig durch den Sumpf weiterschob, tropfte ständig Wasser an ihm herab.
Das Reptil schien zu schwimmen, während es den Hals suchend in schönem Bogen hin und her reckte, in Wirklichkeit aber stapfte es über den Meeresgrund, die riesigen Beine noch immer unter dem Wasserspiegel. Als es sich weiter dem Ufer näherte, tauchte im Kielwasser allmählich ein riesiger Schwanz auf. Er war sogar noch länger als der Hals, etwa vierzehn Meter, so daß das Reptil vom Kopf bis zur Schwanzspitze sechsundzwanzig Meter maß.
Bis jetzt hatte es ausgesehen wie eine lange Schlange, die sich durch die Lagune bewegte, nach und nach jedoch erkannte man seine wirkliche Form, denn jetzt tauchten die massigen Beine auf. Sie waren riesig, vier dicke, starke Säulen, durch so groß konstruierte Gelenke mit dem Körper verbunden, daß sich das Tier, obwohl es ein Amphibium war, auf dem Trockenen, wo es vom Wasser nicht getragen wurde, nur mühsam aufrecht halten konnte.
Mit langsamen, schwerfälligen Schritten schob sich das Reptil auf einen klaren Fluß zu, der sich in die Lagune ergoß, und war nunmehr in seiner ganzen Größe zu sehen. Sein Kopf erhob sich zwölf Meter hoch über den Boden, die Schultern vier, der Schwanz folgte vierzehn Meter weit hinterher und das Ganze wog nahezu dreißig Tonnen.
Es war ein Diplodocus, keineswegs der größte Dinosaurier und sicherlich nicht der fürchterlichste. Dieses spezielle Tier war ein Weibchen, siebzig Jahre alt und in der Blüte seines Lebens. Es lebte ausschließlich von Pflanzen, die es sich nun im Sumpfwasser suchte. Den kleinen Kopf zielbewußt von einer Pflanzenart zur nächsten wendend, rupfte es so viel davon ab, wie es finden konnte. Das war keine sehr leichte Arbeit, denn es hatte nur einen kleinen Mund mit winzigen, pflockartigen Vorderzähnen und überhaupt keine Backenzähne, mit denen es die Pflanzen kauen konnte. Und eben das Problem des Kauens war es, weshalb es hier ans Ufer gekommen war.
Nachdem es alle erreichbaren Pflanzen gefressen hatte, stapfte es weiter ins Flußbett hinein. Das kleine Säugetier, immer noch unter die Wurzeln des Ginkgo geduckt, sah es zufrieden vorüberziehen. Es hatte gefürchtet, daß einer der Riesenfüße sein Nest treffen und es mitsamt den Jungen zerstören könnte.
Nun aber entfernte sich der Diplodocus von der Lagune und dem aufmerksamen Beobachter. Vorsichtig und ohne Hast einen Fuß vor den anderen setzend, sich jedesmal sorgfältig vergewissernd, daß stets mindestens zwei fest auf dem Boden standen, bewegte sich das Weibchen wie ein zum Leben erwachter Berg, den Leib immer auf derselben Höhe haltend, während der graziöse Hals sanft hin und her pendelte und der extrem lange Schwanz ruhig auf der
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