Colorado Saga
hatte Coker mitgenommen. Jim ging zu der Kuh, die das Neugeborene säugte. Ein Blick auf die weiße Schnauze und die feuchten Lippen, die gierig das Euter suchten, genügte, um Jim für seine Aufgabe vollends untauglich zu machen. Er griff an seinen Revolver, war aber nicht imstande, ihn aus dem Halfter zu ziehen. Er sah sich nach einem Prügel um und war dankbar, daß er keinen fand. Endlich hob er das Kalb hoch und nahm es der Mutter weg, die ihm fast bis ins Camp nachlief.
»Mr. Poteet, ich kann Kälber aufziehen, aber nicht umbringen.«
»Stell das Vieh auf den Boden«, brüllte Mr. Poteet, »und schau, daß du fertig wirst damit.« Angewidert wandte er sich ab. Jim wandte sich mit flehendem Blick den anderen zu, aber keiner wollte ihm helfen. Er schämte sich der Tränen, die ihm in die Augen traten. Aber er stellte das Kalb nicht auf den Boden. Da sah er links von der Herde Nacho mit seinem Wagen dahinfahren und lief zu ihm hin.
»Ich möchte das Kalb bei dir im Wagen unterbringen, gar nicht lang. Es wird mir schon was einfallen.« Nacho versteckte also das Kalb im Wagen. Beim nächsten Halt, die Männer waren gerade beim Essen, fing das Kalb zu wimmern an, und Mr. Poteet sagte: »Was zum Teufel...«, schluckte aber den Rest des Satzes. Manchmal war es auch für einen Trailboß klüger, etwas nicht gehört zu haben.
Jim fütterte das Kalb und pflegte es. Als ein zweites Kalb zur Welt kam, sollte Coker es beseitigen, aber ihm ging es nicht besser als Jim. »Teufel, ich kann doch nicht den LeMat eines Obersten der Konföderierten dazu verwenden, ein Kalb zu erschießen«, sagte er, und auch sein Kalb fand einen Platz in Nachos Wagen.
Aber als ein drittes Kalb geboren wurde und Jim es wieder nicht übers Herz brachte, das Tier zu töten, da riß Mr. Poteet die Geduld. »Diese Kälber verschwinden jetzt, und ihr beide legt sie um«, schnappte er. Aber Jim wurde unerwartete Unterstützung zuteil. Nacho sagte mit seiner singenden Stimme: »Mr. Poteet, ich glaube, ich habe eine gute Idee«, und er bat um die Erlaubnis, die Kälber bis Fort Sumner behalten zu dürfen. Knurrend gab Mr. Poteet seine Zustimmung. Drei Tage vor Fort Sumner schlugen die Apachen zu, aber sie gingen derart schlau dabei vor, schlichen leise wie Coyoten nach Mitternacht über den Pecos, daß sie drei Pferde zurück über den Fluß geschafft hatten, bevor auch nur ein Mensch merkte, was geschehen war. Wahrscheinlich hätten die Cowboys überhaupt nichts gehört, wenn nicht ein Brauner, Gomperts Lieblingspferd, leise gewiehert hätte. Mit einem wilden Schrei sprang Gompert aus seinem Schlafsack: »Sie stehlen mein Pferd!«
Die Männer konnten es nicht fassen. Die Apachen waren mitten in das Lager gekommen, in die Remuda, wo drei Wachen sie nicht hörten, hatten sich zwischen den Schlafenden und dem Küchenwagen durchgeschlichen und drei gute Pferde einfach abgeführt.
»Wir haben nichts gesehen«, meldete der Wrangler für die Wachen, und Nacho sagte, die Kälber hätten ihn zwar wachgehalten, aber er habe trotzdem nichts gehört. Gompert wollte den Apachen mit einer Gruppe nachreiten und ihnen die Pferde wieder abjagen. Coker und Lasater waren sofort dafür, aber Skimmerhorn riet zur Vorsicht.
»Apachen stehlen Pferde seit eh und je«, sagte er. »Die hätten uns im Schlaf abknallen können«, sagte Lasater.
»Warum zum Teufel haben sie nicht die Kälber gestohlen?« sagte Poteet.
In den nächsten zwei Tagen achteten die Cowboys auf jedes Geräusch, und zweimal glaubten einige von den Jungen, in den Hügeln im Westen Apachen gesehen zu haben, aber es war jedesmal falscher Alarm. Jim Lloyd, dem nichts entging, lernte dabei einen Vogel kennen, an den er später immer als Symbol dieses Trails dachte, ein kühnes, schnelles, lustiges Tier, das meistens auf der Erde stand und seinen Kopf von einer Seite auf die andere warf, während sein Schopf aus braunen und weißen Federn in der Sonne aufleuchtete. Das war der Erdkuckuck, mit einem prachtvollen Schwanz, der auf und ab wippte, wenn der Vogel auf der Suche nach Insekten über die Prärie eilte. Die Cowboys lachten über diesen neugierigen Vogel, dessen Schopf abwechselnd aufstieg und wieder niedersank, je nachdem, welche Dinge seiner Umgebung ihn interessierten. Oft blieb er plötzlich stehen, sah zu Jim empor und stellte den Kopf schief, dabei flatterte er mit den Schwanzfedern, um das Gleichgewicht zu halten.
Jim war überrascht, daß ausgerechnet Lasater es war, der Dieb, der von allen
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