Colorado Saga
wie die Spannungen immer größer wurden, und er sagte zu seiner Frau: »Die Bibel hat wie immer recht: Im Kampf um das Land wird stets der Rancher vom Farmer getötet, denn der Farmer ist an das Land gebunden, und er kämpft, um es zu beschützen.«
Im Frühsommer des Jahres 1873 fanden in der Gegend drei verschiedene Jagden statt: als sie vorbei waren, hatte sich das Antlitz des Westens völlig verändert, und jede Hoffnung, die alten Lebensformen wiederherstellen zu können, war auf ewig verschwunden.
Die erste Jagd nahm von Omaha in Nebraska ihren Ausgang. Der Anführer der Gesellschaft war einer der vielen österreichischen Erzherzöge. Begleitet wurde er von einem russischen Großfürsten. In ihrem Gefolge reisten französische und englische Militärattaches und sieben Generäle, die im Bürgerkrieg mit mehr oder weniger Auszeichnung in den Armeen der Union gedient hatten, darunter auch George Armstrong Custer, ein Feuerkopf, der im Krieg vorübergehend Generalsrang bekleidet hatte, jetzt aber Oberst war. Custer zugeteilt war der junge Pasquinel Mercy, ein Leutnant aus Fort Laramie, der wußte, wo der Büffel zu finden war.
Auf der zweiten Gesellschaftsebene, nach den Herzögen und Generälen, dafür aber zahlungskräftiger als diese - sonst hätte man sich den Sonderzug, die Bedienten, einen Waggon mit alkoholischen Getränken sowie die zwölf Köche für die Bankette gar nicht leisten können -, kam eine Gruppe französischer und englischer Financiers, die sich für den Westen interessierten, unter ihnen auch ein Teilhaber des Venneford-Unternehmens, der bei dieser Gelegenheit auch gleich den Besitz des edlen Lords im amerikanischen Westen inspizieren sollte. Dieser Mann, Henry Buckland, war einundfünfzig Jahre alt und leitete von seinen Büros in Bristol aus den
Seidenimport aus Indien; mit ihm reiste seine einundzwanzigjährige Tochter Charlotte.
Buckland war ein gutaussehender Mann von einigem Gewicht, körperlich nicht weniger als wirtschaftlich. Als junger Mann hatte er England den Rücken gekehrt, um auf einem Indienfahrer zu arbeiten; der Subkontinent hatte ihn so gefesselt, daß er sich in Bombay bald wohler fühlte als in Bristol. Sein Ruf in der Geschäftswelt war makellos. Seine Heirat mit der Tochter einer Kusine des Earl Venneford of Wye hatte ihn in die vorderste Reihe der Gesellschaftskreise von Bristol gestellt.
Es war nur natürlich, daß Henry Buckland eingeladen wurde, sich an Vennefords amerikanischem Abenteuer zu beteiligen, und es war nicht weniger natürlich, daß Buckland als erstes Mitglied der Gruppe auch tatsächlich in Amerika auftauchte.
Daß er an dieser höfischen Jagd teilnahm, war eher ein Zufall. Die Organisatoren hatten Lord Venneford in der Hoffnung eingeladen, die österreichischen und russischen Durchlauchten mit einem englischen Aristokraten garnieren zu können, aber der Lord wurde von seinen Pflichten in England festgehalten; an seiner Statt entsandte er Henry Buckland, seinen vertrauenswürdigen Partner.
Charlotte Bucklands Anwesenheit dagegen war kein Zufall. Dieses selbstbewußte, unberechenbare Mädchen von mehr als durchschnittlicher Schönheit hatte in den letzten Jahren ihren Eltern immer mehr aufzulösen gegeben. Als sie neunzehn war - in diesem Alter war ihre Mutter schon längst verheiratet gewesen -, versuchten ihre Eltern, eine höchst passende Verbindung mit einem jungen Mann aus der guten Gesellschaft von Bristol zu arrangieren. Aber Charlotte gefiel der junge Pollard einfach nicht; sie behandelte ihn wie den letzten Dreck und ließ in ganz Bristol verbreiten, daß sie nicht im Schlaf daran dächte, ihn zu heiraten. Nachdem sie ihn losgeworden war, fing sie an, mit einer ganzen Reihe von Männern zu flirten, darunter ein Marineoffizier und ein verheirateter Rechtsanwalt. Es hätte nicht viel gefehlt, und es wäre zu einem Skandal gekommen. Höchste Zeit also, sie aus Bristol zu entfernen! Die Einladung an ihren Vater, an der Omaha-Jagd teilzunehmen, hätte daher gar nicht gelegener kommen können.
»Papa, ich fahre mit!« rief sie begeistert. Sie war groß und blond und lachte gern, und sie freute sich über ihre Erfolge bei Männern.
Als sie im Frühling des Jahres 1873 England verließ, war sie voll aufgeregter Erwartung, in der Neuen Welt jene Erfüllung zu finden, die ihr die Alte Welt bisher versagt hatte.
Sie war begeistert von New York und seiner plebejischen Lebensfreude, und Chicago gefiel ihr nicht weniger. Aber erst die Fahrt von
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