Colorado Saga
das sechste, dann das siebente Dutzend. »Jesus Christus, du hast schon fünfundachtzig, sechsundachtzig Büffel da unten liegen«, sagte Harker.
»Vierundachtzig«, antwortete Calendar, goß Wasser von außen über den Lauf, schüttete auch etwas Wasser ins Rohr hinein und ließ es am anderen Ende durch den geöffneten Lauf herausfließen.
Noch immer machten die dummen Büffel keine Bewegung. Sieben Dutzend aus ihrer Herde lagen erlegt im Staub, aber es fiel ihnen nicht auf, denn kein einziger hatte um sich geschlagen oder Laut gegeben. »Fünfundachtzig, sechsundachtzig«, zählte Harker. »Laß dir Zeit, du machst noch dein Hundert voll.«
Mit so vielen Tieren konnten die Häuter gar nicht fertig werden. Was sie nicht schafften, blieb mitsamt den Häuten in der Sonne liegen und verfaulte; aber die Büchse war jetzt wieder abgekühlt, und Calendar wollte einen Rekord aufstellen. Er schoß noch zwei weitere riesige Tiere, dann eine mittelgroße Kuh, aber bei seinem neunzigsten Schuß war wohl an der Patrone etwas nicht in Ordnung, denn sie schlug weit vor der Herde in den Boden, prallte zurück und traf eine Kuh.
Die Kuh brüllte auf, schlug mit den Hinterläufen aus und galoppierte davon, und bevor Calendar noch einmal feuern konnte, war die Herde fort; neunundachtzig Büffel waren auf der Stelle geblieben.
Von der dritten Jagd ist in wenigen Worten berichtet. Im Spätsommer des Jahres 1873 hatten die wenigen Arapaho, die sich bis jetzt an die Überreste jener Reservation bei den Rattlesnake Buttes geklammert hatten, so wenig zu essen, daß sie buchstäblich vor dem Verhungern standen. Washington ließ wissen, daß man helfen wolle, sandte auch wortreiche Mitleidsbezeigungen, aber die Finanzkrise hatte auch vor der Regierung nicht haltgemacht, und es war einfach kein Geld da, um die Indianer zu füttern. Häuptling Verirrter Adler, jetzt ein alter Mann von dreiundsechzig Jahren, dem die Zähne ausfielen, bat ein letztes Mal um Hilfe und sandte eine Abordnung zu Major Mercy nach Denver, und der Major kam in die Reservation herausgeritten und war empört über das Elend, in dem die Leute hier lebten, doch er hatte weder genügend Macht noch genügend Geld, um etwas dagegen zu tun.
Daher beschlossen die jüngeren Krieger, sich noch einmal, ein letztes Mal, auf die Büffeljagd zu begeben, auch wenn sie dabei gezwungen sein sollten, die Reservation zu verlassen und sich in Gegenden zu wagen, in denen bereits weiße Siedler auftauchten.
Verirrter Adler war zu alt, um seine Leute zu führen, daher setzte sich sein Sohn Roter Wolf an die Spitze, und die letzten Überlebenden der einst mächtigen Arapaho machten sich auf den Weg.
Was war das für ein erbärmlicher Haufen! Auf ihren dürren Kleppern konnten sie mit einer Büffelherde nicht einmal Schritt halten, geschweige denn sie überholen und einkesseln. Die Krieger waren noch schlechter beisammen als die Pferde - ausgemergelte, stumpfe Männer, die nicht begreifen konnten, was mit ihnen geschah. Von diesen Indianern hatte kein weißer Mann mehr etwas zu fürchten; eine einzige Gewehrsalve würde genügen, um sie in alle Winde zu zerstreuen.
Sie ritten südwärts, in das Gebiet zwischen Platte und Arkansas, und hielten nach Büffeln Ausschau. Jeden Morgen ritten ermattete Späher in alle vier Richtungen davon und starrten in die wellige, hügelige, immer wieder leere Weite. Irgendwo mußten die Büffel doch sein! Auch den Indianern waren Berichte über den Zug zu Ohren gekommen, der mitten durch eine Büffelherde gefahren war.
Zwei lange Wochen verbrachten sie im Sattel, sie jagten einer Illusion nach und fanden nichts als Leere. Vor Hunger waren sie schon so schwach, daß sie sich kaum im Sattel halten konnten, aber sie gaben nicht auf, und am Ende wären sie vielleicht noch in der Prärie verhungert. Da entdeckten sie im Norden des Arkansas eine Stelle, wo die Kadaver von neunundachtzig Büffeln in der Sonne verfaulten.
Die Männer waren so ausgehungert, daß einer von ihnen von dem stinkenden Fleisch aß; aber Roter Wolf wußte, daß das Wahnsinn war. Er trieb sein Pferd an und stellte sich zwischen die toten Büffel und seine Männer. Die rechte Hand hoch erhoben, trieb er sie zurück; aber erst, als der eine, der von dem Fleisch gegessen hatte, sich in tödlichen Krämpfen auf dem Boden wand und schließlich mit Schaum vor dem
Mund starb, erkannten die Männer, daß ihr Führer recht hatte.
Roter Wolf war verzweifelt. Von seinem Pferd sah er auf das
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