Colorado Saga
solltet diesen Christian heimholen. Er wird sich vielleicht noch als der beste Zendt von allen erweisen.«
Als das Mahl zu Ende war, meinte Mahlon salbungsvoll: »Reverend Fenstermacher, es könnte lange dauern, bis wir unseren Bruder wiedersehen. Würden Sie die Gnade haben, unserer Familie Ihren speziellen Segen zu spenden!«
Der Geistliche hatte diese Bitte vorausgeahnt, doch er wünschte noch ein paar Worte zu sagen, die ihm am Herzen lagen.
»Guter Gott, du wachst über uns. Du hast mich hundertmal in der Kirche sagen hören: >Gott geht seltsame Wege, um seine Wunder zu wirken.< Nichts in meiner Erfahrung war jedoch seltsamer als die Art, in der du Bruder Levi in den Westen und unter die Indianer führtest und ihm eine indianische Frau und indianische Brüder gabst. Du wähltest ihn aus unter den fünf Zendt-Brüdern, zu tun Dein Werk an den fernen Grenzen, und er hat wohlgetan. Er war unser Abgesandter, und wir alle haben gefehlt, ihm kein Geld zu senden, als er es notwendig brauchte. Wir haben ihm unsere Liebe vorenthalten. Wir haben uns nicht bemüht, zu erfahren, was er tat. Vergib uns, guter Gott, unsere Gleichgültigkeit.
Aber auch Levi irrte. Er ließ uns nicht Anteil haben an seinen Abenteuern, als er sich in der Wildnis niederließ. Er berichtete uns nichts über sein Ringen und nichts über seine Siege. Und er war auch zu ängstlich, sein Weib Lucinda zu seiner Familie zu bringen, fürchtend, daß wir sie nicht umarmen würden, weil sie eine Indianerin ist. Hielt er uns für so niedrig im Geiste? Wenn er heimkehrt, möge er seinem Weibe sagen, daß wir ihr unsere Liebe senden, daß wir sie anerkennen als unsere Schwester und daß unser Heim ihr Heim ist, jetzt und für immer. Wir alle, Gott, sind Deine Kinder, wahrlich, wir sind Brüder in Deiner Familie, und wie wir unsere Not teilen, so teilen wir unsere Freuden, und es ist die Liebe, die uns alle verbindet. Amen.«
Danach blieb für die Zendts nichts mehr zu sagen. Es war offenbar, daß ein Prediger, der es wagte, die reichste Mennonitenfamilie von Lampeter, und noch dazu an ihrer eigenen Tafel, derart zu maßregeln, in der Gegend von Lancaster keine allzu glänzende Zukunft vor sich hatte. Die Verabschiedung nach dem Sonntagsdinner war denn auch kühl und zurückhaltend. Levi ging noch einmal in das Wäldchen, saß dort eine Weile unter den geliebten Bäumen, und es schien ihm, daß, genauso wie die Arapaho Büffelschädel durch den Sand schleppten, um sich selbst zu bestrafen, auch der weiße Mann einen Schädel anderer Art hinter sich herschleppte. Der Indianer war klug genug, sich nach der Sühne frei von seiner Bürde zu fühlen; der weiße Mann tat das selten. Die Rückkehr nach Lancaster war eine Qual. Er hatte keine zehn Worte zu Rebecca Stoltzfuß gesagt, dem Mädchen, das einst die Richtung seines Lebens geändert hatte. Er wußte jetzt nicht mehr von ihr als bei seiner Ankunft. Er hatte nichts Ernsthaftes mit Mahlon gesprochen, der immer noch so widerlich war wie vor vierzig Jahren. Er war nicht einmal so höflich gewesen, einmal nach Philadelphia zu fahren, um sich dort das Geschäft der Familie in Reading Station anzuschauen, denn er war so eingesponnen in seine eigenen Gedanken und Erinnerungen, daß es ihn nicht im mindesten berührte, was der Familie begegnete.
Es war doch ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Er reiste ab, ohne die Beziehungen zur Familie wiederhergestellt zu haben. Es tat ihm nicht leid, wieder den Zug zu besteigen - und den Zendts schon gar nicht.
In St. Joseph stieg Levi in die Postkutsche um, die ihn langsam westwärts führen würde. Und als die Fähre den Missouri überquerte, erlebte er im Geist noch einmal die Reise von einst. Er hatte das bestimmte Gefühl, daß er damals recht getan hatte, Lancaster zu verlassen, denn es war ihm bewußt geworden, daß sich in den dazwischenliegenden Jahren nichts geändert hatte. Nichts, was von Bedeutung war, hatte er jetzt anders vorgefunden - außer der einfach lächerlichen Völlerei.
Langsam rumpelten sie weiter. Und alles, was er sah, steigerte seine Erregung: der schlammige, trübe Fluß, die schwarzen Jungen am Ufer, die knarrende Fähre, die heraufziehende Gefahr von Kansas, die Landstraße nach Westen. Wie wünschte er doch, daß Elly, der gute Hauptmann Mercy und der schlaue Oliver Seccombe jetzt bei ihm wären - im Aufbruch mit ihren Männern. Ja, selbst den hinterhältigen Sam Purchas -selbst ihn wünschte er herbei.
Als die Kutsche schon tief in
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