Colorado Saga
konnte. Die Heuvorräte waren erschöpft, kein festes Futter war erreichbar. Die
meisten Rancher saßen machtlos und untätig an ihren Kaminen und beteten um das Ende des Sturms, während Millionen Rinder erfroren oder verhungerten.
Fünf Tage lang hielt die furchtbare Kälte an, und jede Nacht brachte neuen Schnee. Die Prärie war vom Eis umschlossen. Verängstigte Rancher mußten jetzt einsehen, daß ihr gefährliches Spiel, Rinder im offenen Land zu züchten, ohne über ausreichende Futterlager für den Fall solchen Unwetters zu verfügen, ausgespielt war.
Das Rind war am wenigsten dafür ausgestattet, einen Blizzard zu überstehen. Der Büffel hatte gelernt, seinen massigen Kopf zu schütteln und den Schnee abzustoßen. Das Pferd konnte mit seinen Hufen den Schnee durchstampfen und darunter Gras finden. Schafe fraßen Schnee, wenn sie kein Wasser hatten. Truthähne hausten auf Bäumen, um dem Schnee zu entgehen, und Hühner arbeiten mit dem Schnabel so lange, bis sie den Boden erreichten, und schluckten Schnee gegen den Durst. Das Rind erlernte niemals einen dieser Tricks: selbst wenn es bis zum Bauch im Schnee stand, verdurstete es.
Jim Lloyd beschäftigte einen Cowboy aus Texas, der von sich ziemlich eingenommen war und sich einbildete, alles zu können. Er hatte einen selbstbewußten, wiegenden Gang und pflegte seine Daumen in den Gürtel zu stecken, wie er es bei älteren Herren gesehen hatte. Er war zweiundzwanzig und hätte einer der besten Männer sein können, wenn er nur weniger unstet gewesen wäre. Als der Blizzard zwischendurch einmal aussetzte, erbot sich Red freiwillig, an die Nordgrenzen der Ranch zu reiten, um zu sehen, was sich dort getan hatte. Das war geradezu eine Herausforderung des Schicksals, und Jim riet ihm, sich die Sache noch einmal zu überlegen. Red blieb dabei. Er sattelte sein Pferd, packte Proviant und eine Flasche auf und ritt gegen Osten. Neun Tage lang war er unterwegs, und als er endlich zurückkam, war er erschreckend abgemagert, und seine Augen waren entzündet.
Finlay Perkin sagte, er solle in die Küche des Herrenhauses kommen und berichten, was er gesehen und erlebt habe. Red setzte sich dort in der Haltung des harten Cowboys, der er zu sein wünschte, griff mit beiden Händen nach seiner Kaffeeschale und berichtete in abgerissenen Sätzen. Nur langsam formten sich die Worte. Seine Unterlippe zitterte, er stellte den Kaffee weg, und die Stimme versagte ihm. »Ich habe gesehen...«, er blickte hilflos auf Seccombe, »ich habe gesehen... an einer Hürde... bei den drei Pinien... « Er konnte nicht weitersprechen.
Nach einer Minute des Schweigens setzte er fort: »Ich habe tote Rinder gesehen, übereinandergeschichtet, die ganze Hürde entlang. Ich habe den Pine Creek gesehen, bedeckt mit Tausenden Kadavern. Ich habe gesehen - bei den Hürden, die bis Line Camp Zwei führen - ein weites Eisfeld, aus dem Hörner und Nasen ragten... es müssen an die fünfhundert Langhörner gewesen sein, vom ersten Sturm hier begraben. Ich habe gesehen...«
Er hielt abermals inne. Sein roter Kopf fiel auf den Tisch. Er verharrte in Schweigen, zu mannhaft, um weinen, zu erschüttert, um sprechen zu können. Seine Zuhörer sahen weg. Und nach einer Weile murmelte er: »Die Hälfte unserer Herde muß tot sein.«
So war es. Immerhin waren die Crown-Vee-Rinder besser davongekommen als die meisten anderen, dank der unermüdlichen Anstrengungen von Jim Lloyd und seinen Helfern. Als die Kälte nicht brechen wollte, ließ er von den Zimmerleuten der Ranch die Frachtwagen zu Behelfsschlitten umbauen und fuhr mit diesen Heu zu allen Teilen der Ranch. Er arbeitete achtzehn bis zwanzig Stunden am Tag; und manchmal, wenn er unerwartet auf eine Herde von Langhörnern traf, die an irgendeinem Hindernis verendet waren, ihre traurigen Gesichter aus dem Wind gedreht, war er den Tränen nahe.
Überall im ganzen Westen war es eine Zeit des Grauens. Harte Cowboys wie Texas Red konnten die Tragödien vor ihren Augen nicht ertragen; lebensfrohe, stattliche Rancher wie Claude Barker vom Horse Creek überblickten die Situation und sagten: »Schön, das ist das Ende der Ranch. Es war eine gute Sache - solange sie dauerte.«
Die Rinderhaltung im offenen Land, wie sie die RanchBarone in den goldenen Jahren von 1880 bis Oktober 1886 betrieben hatten, war für immer zu Ende. Nie wieder konnte ein Mann seine Rinder frei durch milde Winter bringen und es den Tieren überlassen, sich aus
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