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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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dem nur leicht gefrorenen Boden zu ernähren, nie wieder konnte ein Mann damit prahlen, fünf Millionen Morgen uneingezäunten Landes und unzählbar viele Rinder zu besitzen. Die guten alten Tage waren vorüber. Die Engländer, die so viel Pionierarbeit im Westen getan hatten, fuhren nach Hause. Neue Ideen waren nötig: Zäune, neue Rinderrassen, ein neues Kontrollsystem.
    Auf keiner Ranch hatte der Sturm so absonderliche Auswirkungen wie auf Venneford. Dort waren während der schrecklichen Tage drei Personen, die einander mißtrauten und beargwöhnten, in einem Schloß eingesperrt - Oliver, Charlotte und Perkin, jeder in seinem eigenen Eckturm. Sie trafen einander nur zu den Mahlzeiten im zugigen Speisesaal - jeder mit einem wachsamen Auge auf den anderen, jeder sich bewußt, daß ihm die Grundlage seines bisherigen Lebens entglitt, jeder überlegend, wie er am besten der neuen Lage begegnen sollte. Der Sturm heulte, das Eis ächzte an den hohen Fenstern, und die drei saßen in ihren Turmzimmern wie Mönche in den Zellen eines verfallenen Klosters.
    Oliver Seccombe war jetzt neunundsechzig Jahre alt, ein Mann, dessen Kraft schon fast verbraucht war. Jetzt sollte sein Leben in Verfall und Verarmung enden, mit einem häßlichen Gerichtsverfahren, das ihm noch bevorstand. Und er sah keinen Weg, der sicheren Katastrophe zu entgehen. Er würde seine Stellung auf der Ranch übergeben müssen. Die schönen Tage unter den Piniennußbäumen von Line Camp Vier waren vorüber; ebenso seine Stellung als erster Rancher des Gebietes. Charlottes Schloß aufzugeben - das hätte ihm nichts ausgemacht; es war immer ein geldfressender Dämon gewesen. Aber die Ranch aufzugeben, seine eigene Schöpfung, das würde ihm das Herz brechen. Ohne seinen unbeugsamen Elan wäre Venneford niemals das geworden, was es jetzt war, und es schien ihm eine Ironie, daß ausgerechnet er der Urheber seines Verfalls sein sollte. Einziger Trost war, daß Charlotte genug eigenes Geld besaß, um den Zusammenbruch zu überstehen. Irgendwie würde sie wieder zu einem guten Leben finden. Was ihn selbst betraf, so hatte Perkin ganz offen die Meinung ausgesprochen, er solle abtreten. Nun, argentinische Rancher fragten in Wyoming immer wieder nach berufserfahrenen Engländern, vielleicht könnte er mit einem von ihnen ins Geschäft kommen. Das tiefste Bedauern aber würde Seccombe über den Verlust des CheyenneClubs empfinden, dieser Vereinigung von Gentlemen, dieses Athen des Westens, wo das Essen gut war, der Wein noch besser und das Gespräch das beste von allem.
    Charlotte Seccombe hatte keineswegs so elegische Gedanken. Schlau und scharfsinnig, wie sie war, sah sie Umstände und Zusammenhänge, die ihr Gatte und Perkin anscheinend gar nicht beachteten. Durch die furchtbaren Verluste, die alle Rancher während des Blizzards erlitten hatten - in Teilen Montanas schätzte man sie auf dreiundneunzig Prozent -, war der Unterschied zwischen den Zahlen in Perkins Büchern und dem tatsächlichen Rinderbestand weggewischt! Er existierte einfach nicht mehr! Im Oktober 1886 hätte Finlay Perkin auf das Hauptbuch weisen und sagen können: Sie haben soundso viele Rinder gekauft, aber Sie besitzen nur noch soundso viele. Den Rest müssen Sie gestohlen haben! Aber im März 1887 konnte Seccombe erwidern: Der Rest ist im Blizzard zugrunde gegangen. Sie war ziemlich sicher, daß Perkin keine ausreichenden Gründe mehr besaß, um den Fall vor Gericht zu bringen, auch wenn er die Seccombes bei den Direktoren in Bristol schlechtmachen würde. So begann sie, Perkin mit vorbedachter Verachtung zu behandeln, und fand verschiedene Wege, ihn herabzusetzen. Sie lachte zur unrechten Zeit, fand sichtlich Freude daran, ihm zu widersprechen, oder hielt ihn offensichtlich zum Narren. Zweimal während des Blizzards, als sie im Herrenhaus eingeschlossen waren - bei armseliger Kost und mäßiger Wärme -, brachte sie das Anfärben der Rinder aufs Tapet. »Kostete uns eine Menge Geld und Arbeit, diese Verrücktheit«, sagte sie. »Die Farbe war billig«, verteidigte sich Perkin. »Wenn schon!« rief Charlotte. »Aber die vergeudeten Arbeitsstunden der Cowboys! Sie hätten statt dessen Heu einbringen können!«
    An ihren Gatten dachte Charlotte mit Wohlwollen, aber doch auch mit Herablassung. Er hatte weder den Scharfsinn Perkins noch die Redlichkeit Skimmerhorns. Er war ein Mann von großen Worten und guten Einfällen, aber keiner, der eine schwierige Situation bis zum Ende durchstehen konnte.

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