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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Humor behandelte, den er vor Jahren so sehr an ihr geliebt hatte. Sie kam ihm jetzt kleiner vor, ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Sie war älter geworden, viel älter, aber dennoch sah sie nicht verbraucht oder abgelebt aus.
    Er wartete, bis sie einen Augenblick lang nichts zu tun hatte, dann ging er mit festem Schritt auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin's, Jim Lloyd. Du kommst jetzt mit mir nach Hause.«
    Mit einer Munterkeit, als hätte sie erst gestern mit ihm geredet, antwortete sie: »Jim! Wie schön, dich wiederzusehen!«
    »Du kommst jetzt mit mir nach Haus«, wiederholte er.
    »Setz dich. Ich bring' dir die Speisekarte.« Sie führte ihn an einen ihrer Tische und brachte ihm nach ein paar Minuten die Speisekarte.
    Später kam sie beschwingt an seinen Tisch geeilt und redete mit ihm, als wäre er einfach ein Gast, der zum erstenmal hier speisen wollte.
    »Das Lamm ist gut hier.«
    »Ich esse kein Lamm.«
    »Natürlich nicht. Auch Kalb ist sehr gut. Nur Crown-Vee-Kälber.« Sie lachte ihn an, und bevor er etwas bestellen konnte, war sie schon zu einem anderen Gast geeilt.
    Als sie zurückkehrte, Notizblock und Bleistift gezückt, um seine Bestellung aufzunehmen, fragte sie: »Was beliebt zu speisen?« Diese Worte klangen so fürchterlich in seinen Ohren, daß er die Karte von sich fortstieß, sie aber schnell wieder zurückholte und sagte: »Ich nehme das Kalbfleisch.«
    »Du wirst es nicht bereuen«, sagte sie geschäftsmäßig, und nachdem er das ausgezeichnete Mahl beendet hatte, ohne mehr als ein Dutzend Worte mit ihr gewechselt zu haben, brachte sie ihm die Rechnung, und er hielt ihre Hand fest.
    »Bitte!« flüsterte sie. »Mr. Marshall beobachtet mich.« Sie nahm seine Banknoten mit und brachte das Wechselgeld.
    »Wann kann ich dich sehen?« drängte er.
    »Ich arbeite jeden Abend hier.«
    Also verließ Jim allabendlich sein Hotel in der Nähe des Bahnhofs und bemühte sich um ein ernsthaftes Gespräch mit ihr. Vergebens. Am vierten Abend verlor er die Geduld, und endlich fiel ihm etwas ein, was, so hoffte er, durch ihren Panzer dringen würde: »Deine Eltern werden nicht ewig leben. Möchtest du sie nicht sehen?«
    »Ich sehe genügend Leute«, parierte sie, aber er sah, daß sie betroffen war.
    »Los, los, weiter mit der Arbeit!« warnte Mr. Marshall im Vorbeigehen.
    »Was hält dich hier?« flüsterte Jim, sobald der Inhaber außer Hörweite war.
    »Warte draußen auf mich«, gab sie leise zurück. Nachher gingen sie beide auf ihr schäbiges Zimmer, und sie versuchte ihn zu überzeugen, daß eine Rückkehr nach Centennial für sie nicht in Frage käme. »Ich liebe das Leben in der Stadt. In dieses winzige Nest gehe ich nie mehr zurück.«
    »Das hier gefällt dir?« Und mit einer Handbewegung deutete er auf ihre muffige, finstere Wohnung. »Hast du nicht Sehnsucht nach der Prärie?«
    Sie fiel ihm ins Wort. »Hier in Chicago schert sich niemand darum, daß ich eine Indianerin bin. Man lebt leichter dort, wo niemand weiß, wer man ist.«
    Ihm, der auf der Texas-Farm, wo er aufgewachsen war, von seiner Mutter und seinen Geschwistern nichts als Liebe erfahren und auf dem Trail nach Norden mit Mr. Poteet gelernt hatte, was Freundschaft bedeutete, ihm leuchtete so etwas nicht ein. »Du mußt nach Hause kommen, wo die Leute dir Liebe entgegenbringen«, flehte er sie an.
    Sie erwiderte: »Jim, ich bin dir wirklich sehr dankbar, daß du die weite Reise nach Chicago gemacht hast, nur um mit mir zu reden.«
    »Auch nach St. Louis bin ich gegangen.«
    Einen kurzen Augenblick lang begriff sie, mit welch hartnäckiger Liebe dieser Cowboy immer an ihr gehangen hatte, wie sehr er sie noch immer liebte, und sie war versucht, ihm nachzugeben. »Ich würde dich ja heiraten... wenn ich könnte. Das weißt du. Aber ich habe schon einen Mann.«
    »Ferguson? Aber der hat dich doch sitzengelassen.« »Das schon. Aber wir sind noch immer miteinander verheiratet.«
    »Laß dich scheiden. Wir gehen morgen zu Gericht.« Dieser harmlose Satz hatte auf Clemma eine fürchterliche Wirkung. Sie zuckte zurück, und ein Ausdruck des Entsetzens trat in ihre Augen. Ohne ein Wort stürzte sie an ihm vorbei zur Tür hinaus, und drei Tage lang konnte Jim sie nicht finden.
    Unfähig, sich dieses seltsame Verhalten zu erklären, ging er wieder zum Kerry Roost und fragte den trübsinnigen Wirt: »War Clemma bei Ihnen?«
    »Nein.«
    Jim blieb an der Theke stehen und erklärte, daß zwischen Clemma und ihm alles soweit

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