Colorado Saga
mußten sie sich die Bemerkung gefallen lassen: »Von vorn sehen sie ja gut aus, aber hinten, dieser Katzenschinken!«: Und dagegen konnte man sich nicht einmal wehren, denn die Vorderteile der Herefords waren zwar groß und kräftig, aber hinten war nicht viel los mit ihnen, ihr Hinterteil glich dem einer Katze, es war dünn und knochig. Das machte die Herefords nicht nur kopflastig, sie lieferten dadurch auch weniger Steaks, und im Steak lag das Geld.
»Wir müssen diese Katzenschinken loswerden«, sagte Jim zu Skimmerhorn. »Hast du jemals einen HerefordBullen mit wirklich solidem Hinterteil gesehen?«
»Nein. Aber es muß sie doch geben.«
Also machten sich die beiden auf die Suche nach einem Bullen, der diesen Fehler der Herefords aus der Welt schaffen würde. Sie hatten keinen Erfolg. Nachdem in der näheren Umgebung nichts aufzutreiben war, reiste Jim bis nach Indiana, wo die Herefords ebenfalls beliebt waren; aber die Bullen dort hatten genau die gleichen Katzenschinken.
»Sieht so aus, als müßten wir uns abfinden mit dem, was wir haben«, berichtete er bei seiner Ankunft zu Hause. Aber er hielt weiter die Augen offen, und eines Tages hatte er eine gute Idee: »Was wäre, wenn ich an Mrs. Seccombe in Bristol einen Brief schriebe. Sie könnte direkt nach Hereford fahren und sehen, ob sie nicht etwas für uns findet.« Also schrieben Jim und Skimmerhorn der Witwe einen Brief und warteten ungeduldig auf Antwort.
Eines Nachmittags, als Jim bei Levi Zendt im Geschäft saß, fiel ihm der Gang des Alten auf, wie er seine Füße aufhob und sie wieder fest auf den Boden stellte, und er brach in Gelächter aus.
»Was findest du so lustig?« fragte Levi.
»Du hast den gleichen Gang wie King Bristol«, kicherte Jim und machte den großen Bullen nach. Levi verstand den Scherz, lachte aber nicht mit.
»Wenn ich du wäre, Jim, und vierunddreißig Jahre alt, dann würde mir eine Herde von Rindviechern nicht genügen, weißgesichtig oder nicht.«
Jim wurde rot. Oft genug war er schon wegen seiner Liebe zu den Herefords gehänselt worden. Er fragte: »Was würdest du an meiner Stelle tun, Levi?«
»Ich würde mir ein Mädchen suchen und heiraten.« Jim antwortete ohne zu zögern: »Wenn ich Clemma finden könnte, würde ich sofort heiraten.«
Ja, auch nach zwanzig Jahren glaubte Jim noch immer daran, daß eines schönen Tages ein Fremder in Centennial auftauchen und berichten würde, wo Clemma sich aufhielte, und dann würde er sofort losstürzen, um sie sich zu holen. Fremder erschien zwar keiner, aber der Offizier, der vor Jahren in der Gegend von Denver stationiert gewesen war, kam wieder einmal durch Centennial und machte den Zendts seine Aufwartung.
»Tja«, sagte er genüßlich, nachdem er ausführlich seine Abenteuer an der kanadischen Grenze und seine Kämpfe mit Indianern beschrieben hatte, »ob Sie es glauben oder nicht, ich habe Ihre Tochter gesehen, ich habe sogar mit ihr gesprochen. Ich mußte in Chicago am Bahnhof umsteigen und ging in dieses kleine irische Restaurant. Kilbride's Kerry Roost...«
Lucinda ließ sich den Namen des Restaurants aufschreiben und sandte einen Boten auf die Ranch, um Jim die Neuigkeit mitzuteilen, daß sich herausgestellt habe, wo Clemma jetzt zu finden war. Und sofort faßte er den Entschluß, zu ihr zu fahren. »Jim!« versuchte Levi, ihm seine Absicht auszureden. »Sie hat die ganzen Jahre über gewußt, wo du zu finden bist. Wenn sie gewollt hätte...«
»Hast du denn kein Herz für deine eigene Tochter?« rief Jim. »Du denkst immer nur an deinen Sohn, weil er hier ist und dir bei der Arbeit hilft. Clemma ist nicht hier, und sie braucht mich.«
Levi sah ein, daß es sinnlos war, mit diesem Cowboy vernünftig zu reden. Er sagte ihm auch nicht, daß er jeden Abend an Clemma dachte, sogar für sie betete. Jim nahm den Nachtzug nach Chicago. Kaum in der geschäftigen Stadt angekommen, eilte er zum Kilbride's Kerry Roost. Der weißhaarige, trübsinnige Besitzer erinnerte sich an Clemma Ferguson: »Schönes Mädchen. Gute Kellnerin.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Der Inhaber eines Luxusrestaurants ist zu uns Mittagessen gekommen, hat sie gesehen und ihr eine bessere Stelle angeboten.« Traurig schüttelte er den Kopf, wie um zu sagen, daß das Unglück ihn verfolge. Jim fand sie in einem Restaurant mit Eichenholztäfelung, in der Nähe des Bahnhofs der Union Pacific. Vom Eingang her sah er ihr zu, wie sie ihre Kunden mit dem verführerischen Lächeln und dem verschmitzten
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