Colorado Saga
hatte. Sie selber, Charlotte, hatte alles, was mit Jim zusammenhing, wohl überlegt; niemals würde sie etwas tun, was ihn erniedrigen könnte, niemals seine Männlichkeit auf irgendeine Weise angreifen oder kränken.
»Ja, Clemma, wir reden von James Lloyd... einem Menschen aus Fleisch und Blut. Wenn er nur um ein Haar weniger Kraft hätte, hätten Sie ihn schon lange zerstört.«
»Ich wollte doch nie...«
»Natürlich wollten Sie nicht«, sagte Charlotte eindringlich, »auch jetzt wollen Sie ja nichts Böses tun.«
»Aber Sie sind doch älter als er, Mrs. Seccombe. Wie kann er Sie so lieben wie... «
»Gar nicht, er kann nicht. Er wird immer nur Sie lieben. Aber mit mir kann er ein eigenes Leben führen, wie es für ihn richtig ist. Mit Ihnen...« Sie zögerte, denn sie wußte, daß das, was sie jetzt sagte, vielleicht ausschlaggebend sein würde. »Wie lang würden Sie bei Jim bleiben?«
»Ich... «
»Wie lang?« fragte Charlotte mit Nachdruck in der Stimme. »Wie lang würde es dauern, bis der Frühzug Sie wieder entführt?« Clemma antwortete nicht.
Charlotte fügte hinzu: »Einem Mann zuliebe, der endlich die Gelegenheit hat, sein eigenes Leben aufzubauen, sollten Sie von hier fortgehen.«
Sie verließ Clemma, die zusammengesunken in ihrem Sessel saß, auf den Boden starrend, ein kleines Glas in der Hand. Im Türrahmen sagte Charlotte zu den alten Zendts: »Ich habe ihr zur Abreise geraten.«
»Sie haben recht damit getan«, sagte Levi. Er war ein alter Mann geworden, schon über die Siebzig, und er konnte sich über seine Tochter keinen Illusionen hingeben; er rechnete damit, daß sie am nächsten Tag mit dem Frühzug fortfahren würde, und daß sie sie nie mehr wiedersehen würden.
Und sie fuhr ab. Jim Lloyd, der gerade Futter abwog, hörte, wie ein Cowboy, der Ochsen zu diesem Zug gebracht hatte, davon erzählte. Zwei Tage lang ritt er wieder ziellos durch die Prärie, bis hinaus zum Line Camp Zwei, dann hinauf zur Grenze nach Nebraska, wo er vor vielen Jahren um eine Homestead-Genehmigung für dieses herrliche Stück Land am
Ausgang des Canyons angesucht hatte.
Als sein aufgerührter Geist zur Ruhe kam, erkannte er die Prärie und seine Verbindung mit ihr. Er beugte sich tief über den Widerrist seines Pferdes und murmelte: »Arbeit. Das ist es, was zählt. Du bearbeitest das Land, so daß es deine Rinder ernährt. Und nach wenigen Jahren begraben sie dich in der Erde, und
was bis dahin passiert, macht gar nicht so viel
Unterschied aus. Solang du nur der Erde nahe bleibst.«
Mit einer Einsicht, die ihm für den Rest seines Lebens erhalten blieb, sagte er im Schloß zu Charlotte:
»Charlotte, ich habe dir unrecht getan, und ich bitte dich, mir zu verzeihen. Wenn du mich haben willst, dann laß uns heiraten.«
»Ich will dich haben«, sagte sie. »Ich habe um dich gekämpft, und gemeinsam werden wir etwas erreichen, worauf dieser Staat stolz sein kann.«
Er faßte nach ihrer Hand und sagte: »Bevor wir zum Pfarrer reiten, nimm bitte dieses Papier. Es ist mein Hochzeitsgeschenk an dich. Ich habe es vor zwei Wochen gekauft.«
Als sie das Papier ansah, stellte sich heraus, daß es eine Schenkungsurkunde für das Haus unter den Piniennußbäumen beim Camp Vier war. Jim hatte sein ganzes Geld genommen und es dem Geschäftsmann aus Cheyenne wieder abgekauft. »Es gehört sich, daß du es wieder bekommst«, sagte er. »Vor Jahren habe ich das Haus selber gebaut... für eine Frau wie dich.«
Das Verbrechen
In der Geschichte des Westens finden sich gar manche dunkle Punkte. Verschiedene Familien, die es später zu Ansehen brachten, hatten dies nur einem unternehmungslustigen Vorfahren zu verdanken, der im rechten Augenblick zuschlagen - und im rechten Augenblick schweigen konnte.
Es kam etwa vor, daß zwei seit vielen Jahren befreundete Männer gemeinsam in ein Tal ritten und nach Gold suchten; zurück kam aber nur einer, und die Ader, die sie gefunden hatten, gehörte ihm allein. Der zweite lag zwei Meter tief unter der Erde, eine Kugel im Rücken.
Es kam auch vor, daß drei Geschäftspartner, die schon viele verzwickte Situationen gemeinsam bewältigt hatten, ein trockenes Flußbett durchquerten, in dem einer von ihnen umgelegt wurde, was die angenehme Folge hatte, daß der Gewinn nur mehr durch zwei anstatt durch drei geteilt werden mußte. Auch in den Städten passierten solche und ähnliche
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