Colorado Saga
während der nächsten zwei Tage anstellen, ich brauche eure Hilfe. Der erste, den ich um seine Mitarbeit ersuche, bist du, Joe. Denn du hast schließlich einschlägige Erfahrung.«
Die Männer lachten noch lauter, aber der zähe kleine Sheriff stand auf, ging zu Joe hinüber und steckte ihm ein Abzeichen an. »Machen wir den Bock zum Gärtner«, sagte er. »Aber aus den Mädchenzelten hältst du dich besser heraus.«
Der Cartright-Zirkus reiste mit der Eisenbahn; am Samstagmorgen brachte der Sechs-Uhr-Güterzug, der die Milch nach Denver führte, fünf bunte bemalte Waggons nach Centennial, wo ihnen fast alle Kinder der Stadt und viele Eltern einen begeisterten Empfang bereiteten.
Das große Zelt allein füllte schon einen Waggon. Die Zirkusmänner stürzten heraus und stellten mit Hilfe von jungen Männern aus dem Ort auf dem unbebauten Grund nördlich von Zendts altem Geschäft das Zelt auf. Eine Art Manager erschien, mischte sich unters Volk und warnte die gaffende Menge: »Bitte treten Sie von den Waggons zurück. Da drinnen schlafen die gefährlichsten Raubtiere der Welt. Ich darf gar nicht daran denken, was passieren könnte, wenn Sie sie aufwecken...« Den biederen Leuten lief kalter Schauer über den Rücken.
Viertel vor acht wurde es aufregend. Ein Löwe in einem der Waggons fing zu brüllen an, und die, die in der Nähe standen, konnten fühlen, wie die Luft vibrierte. Ein charmantes weibliches Wesen Anfang Dreißig trat aus dem ersten Waggon, mit dem Benehmen einer Dame von Welt, das die einheimischen Männer ganz gewaltig anzog. Nachdem sie nach verschiedenen Richtungen genickt hatte, ging sie die Waggons entlang bis zu jenem, in dem die Raubtiere eingesperrt waren, und wagte sich hinein. Drinnen erhob sich ein mächtiges Röhren und
Pfauchen. Nach wenigen Augenblicken erschien sie wieder in der Tür und fragte mit schmeichelnder Stimme: »Befindet sich unter Ihnen vielleicht ein junger Mann, der bereit wäre, mir bei den Löwen zu helfen?«
Rufe ertönten, einer machte dem anderen Mut; schließlich trat ein etwas tölpelhafter junger Mann vor, der auf Potato Brumbauchs Zuckerrübenfarm arbeitete. Verlegen trat er auf die Dame zu, die ihm beide Hände entgegenstreckte und ihm hinauf half. »Wie heißen Sie?« fragte sie.
»Milton.«
»Milton ist ein tapferer junger Mann«, teilte sie der Menge mit. Dann führte sie ihn hinein. Kurz nach ihrem Eintritt schlug drinnen ein Zebra oder Pferd mit den Hufen ganz fürchterlich gegen die Wand, und ein Löwe fing zu brüllen an. Als Milton wieder in der Tür erschien, strahlte er übers ganze Gesicht.
»Danke, Milton«, sagte die Dame mit ihrer höchst angenehmen, tiefen Stimme und küßte ihn zum Abschied.
Axel Dumire, der diese Vorgänge mit erfahrenem Auge verfolgt hatte, sagte zu seinem großen Stellvertreter: »Die üblen Figuren sind noch nicht aufgetaucht.« In diesem Augenblick stiegen aus dem zweiten Waggon zwei Männer aus, deren äußere Erscheinung bereits ihre Geriebenheit erkennen ließ. Sie taumelten in das helle Licht des Sommertages wie Molche, die lang unter einem Felsen gelegen hatten, aber was sie zu ihren Füßen erblickten, beruhigte sie: einen Haufen Cowboys, einen Haufen eingeborener Tölpel, die auf ein Spielchen spitzten, und vor allem auch ein paar Geschäftsleute, die bereit waren, sich nicht lumpen zu lassen.
Einer der beiden Männer war dünn und vogelgesichtig, der andere war wohlbeleibt und trug einen um zwei Nummern zu kleinen Mantel, der vorn notdürftig von Knöpfen zusammengehalten wurde.
Harry und Meurice, so nannten sie einander, blickten mit sanften Blicken über die Menge, wie Klapperschlangen, die vom Winterschlaf erwacht, aber noch zu benommen sind, um irgendeinen Schaden anzurichten; sobald sie den Sheriff gesehen hatten, bahnten sie sich einen Weg zu ihm.
»Morgen, Sheriff«, sagte Meurice, der Fette. »Wie sind hier die Regeln?«
»Keine Karten, kein Falschspielen, kein Ideen-Verkaufen.«
Der Dünne grinste milde. »Sie machen es uns aber schwer, mein guter Mann.«
»Ich bin nicht Ihr guter Mann«, antwortete Dumire ruhig. »Ich werde euch jedenfalls keine Sekunde aus den Augen lassen.«
Der Fette änderte nicht im geringsten seinen Gesichtsausdruck. Mit einem vor Verständnis triefenden Grinsen sagte er: »Bei den vielen Morden, die hier herum ständig passieren, wäre es wohl bei weitem klüger, du würdest dich in deinen Karnevalsstiefeln dorthin begeben, wo die Verbrecher sind. Aber wahrscheinlich
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