Colorado Saga
werde sie heiraten.«
Charlotte wurde nicht einmal bleich. Sie drehte Jim einfach an einem Arm zu sich herum und sagte: »Was wirst du?«
»Ich muß sie heiraten. Das ist ihre einzige Rettung.« Charlotte fragte nicht: »Und was ist mit mir?« Statt dessen sagte sie ruhig: »James Lloyd, heute in sechs Tagen ist unsere Hochzeit. Verwende diese Tage dazu, um dir alles noch einmal gründlich zu überlegen. Aber vergiß eines nicht: Clemma Zendt wird dich ruinieren. Sie ist ein Mensch, der sich treiben läßt, der sich nicht beherrschen kann. Du hast etwas Besseres verdient.« Er wollte ihr erklären, wollte protestieren, aber sie wollte nichts davon hören. »Bitte, geh jetzt«, sagte sie fest, jeder Zoll eine stolze, entschlossene Frau. »Steig auf dein Pferd, James, und denk nach.«
Sie begleitete ihn bis zur Tür und empfand das Bedürfnis, ihn hinauszuschieben, doch dann besann sie sich einer bei weitem klügeren Taktik. Sie nahm seine Hand, gab ihm einen langen Kuß und sagte: »Einen Mann wie dich findet man nur einmal, James Lloyd. Ich habe die feste Absicht, dich zu bekommen.« Zwei Tage lang ritt er von einem Ende der Ranch zum andern, vom Fieber der Unentschlossenheit geschüttelt. Zweimal ritt er in die Stadt zu den Zendts, um mit ihnen zu reden, aber sobald er in Clemmas Nähe kam, fing sein Herz zu hämmern an, und einmal, als sie ihn zum Abschied küßte, kam ihm vor, als sei die ganze Leidenschaft von Colorado in ihrem schlanken, lieblichen Leib versammelt.
Sein Entschluß stand fest: Clemma war die Frau, die er heiraten wollte. Aber als er in östlicher Richtung aus der Stadt ritt, zu jenem Übergang über den Platte, wo er sie zum ersten Mal gesehen hatte, ein reizendes Indianermädchen von dreizehn Jahren, da erkannte er plötzlich, daß er diese ganzen Jahre hindurch nur an dieses gleichsam einem Märchen entstiegene Mädchen gedacht hatte. Von Clemma, der Frau, wußte er nichts, hatte keine Ahnung, was sie in St. Louis und in Chicago erlebt hatte. Endlich mußte er sich selber die Wahrheit eingestehen: er war verliebt in ein Geschöpf seiner eigenen Phantasie.
Am vierten Tag kehrte er, immer noch unschlüssig, zu den Zendts zurück, und stellte fest, daß Clemma getrunken hatte, aus Verzweiflung über das Gerücht, das in der Stadt über sie herumging, daß sie nämlich eigens gekommen sei, um Jim Charlotte Seccombe auszuspannen. Die Anschuldigung war falsch, denn sie hatte von dem Heiratsplan unmöglich wissen können. Aber als Jim ihr das klarzumachen versuchte, sagte sie immer wieder nur, was sie schon damals in Chicago gesagt hatte: »Die wollen in dieser Stadt einfach keine Indianer haben.«
»Lächerlich! Deine Mutter...«
Aber sie hörte ihm nicht mehr zu. Das Pfeifen des Abendzugs klang über die Prärie, und er sah, wie sie sich quälte. Sie war nicht mehr die dreizehnjährige indianische Märchenprinzessin, sondern eine unglückliche, gehetzte vierunddreißigjährige Frau.
Am Abend des vierten Juli waren die Zendts in ihrer Küche, als es an ihrer Tür plötzlich klopfte. »Herein«, rief Levi und war überrascht, als Charlotte eintrat. Sie nickte den Eltern Zendt zu und fragte, ob sie ihre Tochter allein sprechen könne. Sobald die beiden hinausgegangen waren, rückte sie einen der Stühle so, daß sie Clemma gerade gegenübersaß.
»Ich möchte, daß Sie mit dem Frühzug die Stadt verlassen«, sagte sie fest.
»Aber er will mich heiraten.«
»Ich bin ganz sicher, daß er das auch glaubt.«
»Und ich möchte ihn heiraten«, sagte Clemma leise. »Wirklich?«
»Ich hätte ihn schon vor Jahren heiraten sollen.« »Sehr richtig«, sagte Charlotte leidenschaftlich. »Sie hätten ihn heiraten sollen, wie ich noch in England war. Sie hätten ihn im Jahr des Blizzards heiraten sollen, als er befördert wurde. Sie hätten ihn tausendmal heiraten sollen... aber Sie haben es nicht getan.« »Ich wollte immer zurückkommen...«
»Aber Sie sind nicht zurückgekommen. Sie hatten nie den Mut dazu.«
Clemma goß sich einen kleinen Drink ein, und als er unten war, fühlte sie sich viel besser. »Ich möchte Sie nicht verletzen, Mrs. Seccombe.«
»Von mir ist hier nicht die Rede«, verbesserte Charlotte, »ich möchte nur nicht, daß Sie James Lloyd verletzen.«
»Jim?« rief Clemma, und sie sagte das in einem Ton, als redete sie von einem toten Gegenstand. Charlotte erkannte, daß diese Frau vor ihr Jim überhaupt nie für einen Menschen mit eigenen Rechten, mit eigenen Gefühlen gehalten
Weitere Kostenlose Bücher