Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
grauenhaften Augenblick lang sahen Jim und Sheriff Dumire hinter einem Fenster wie einen trüben Mond hinter Glas das fette, schmerzverzerrte Gesicht von Meurice. Aber nur einen Augenblick lang stand das
    Gesicht da, dann fiel es zurück in die Flammen. Als Meurice verschwunden war, erschien ein zweites Gesicht im Fensterrahmen.
    »Canby ist drinnen!« brüllte Jim auf, riß sich los, griff nach einem Mantel, warf sich diesen über das Gesicht und bahnte sich einen Weg zur hinteren Tür. Mit einer Kraft, die man ihm nie zugetraut hätte, brach er die Tür auf und stürzte hinein in Rauch und Flammen. Mutige Leute aus der Stadt folgten ihm, und bald hatten sie vier Bewußtlose aus dem Waggon gezerrt, aber Canby war nicht unter ihnen.
    Das Feuer raste jetzt durch den ganzen Waggon, zuckende Brandsäulen schossen überall heraus, und Sheriff Dumire, unterstützt von zwei Helfern, zerrte Jim mit versengten Augenbrauen und rauchendem Haar endlich in Sicherheit.
    Diese Tragödie machte auf Centennial tiefen Eindruck. Von den vierzehn Toten wurden zwölf, darunter auch Canby, auf dem Ortsfriedhof begraben, weil keine Angehörigen bekannt waren. Hochwürden Holly von der Union Church bot seine Dienste für das Begräbnis an. Dann hielt er einen Betgottesdienst ab, in dem er den Geist der Fahrenden beschwor, die von einer kleinen Stadt zur nächsten reisten. »Mit ihren Tricks und fein ausgedachten Spielen haben diese namenlosen Menschen ungeachtet ihres gewiß nicht einfachen Lebens uns Heiterkeit und Freude gebracht. Mit ihrem Mut und ihrer Geschicklichkeit haben sie uns in Erstaunen versetzt, und wir werden noch lang daran denken, wie ein Mann, der seinen rechten Arm verloren hatte, mit Ausdauer es so weit brachte, daß er mit dem linken ein Meisterschütze wurde. Als Jesus und Paulus noch auf Erden weilten, sind Zirkusse wie dieser durch das Römische Reich gezogen und haben den Menschen Unterhaltung und Vergnügen bereitet. Wir danken diesen Toten, daß sie uns unterhalten haben. Es ziemt sich, daß sie nun auch mit uns ruhen.«
    Seine Worte riefen den Bürgern von Centennial das rauhe Leben dieser Wanderer ins Gedächtnis, und so waren sie alle in empfänglicher Stimmung, als Ende Juli die »Theatralische Truppe und Thespische Ausstellung« von Maude und Mervin Wendell in der Stadt eintraf.
    Schon in dem Augenblick, da Mervin Wendell in der Tür des Zugs aus Omaha erschien, mußte jedermann in ihm sofort einen Schauspieler erkennen, und wahrscheinlich sogar einen bedeutenden. Er stand auf der obersten Stufe, den linken Arm auf dem Rücken, den rechten über die Brust gelegt. Die Beine waren gespreizt, die rechte Schulter war beachtlich höher als die linke. Ein breiter Filzhut bedeckte das dunkle Haar, das sich vor den Ohren zu Löckchen kringelte. Sein Blick war gebieterisch, durchglüht von Abenteuerlust und kühnem Mut, als wollte er sagen: »Eine neue Stadt! Ein neues Feld für meine Fähigkeiten!«
    Der Effekt dieser großartigen Ankunftsszene wurde nur leicht getrübt durch einen Schaffner mit derbem, gerötetem Gesicht, der ihm eine Reisetasche in die Hand drückte und drohte: »Probieren Sie das nicht noch einmal, Sie!«
    Mervin machte keine Anstalten, das Benehmen des Schaffners zu erklären, sondern stieg majestätisch die Stufen herab, reichte einer sehr schönen Dame Anfang der Vierzig den Arm und sprach: »Komm, meine Liebe. Dort drüben erblicke ich bereits unser Hotel.« Maude Wendell nahm die höfliche Geste mit anmutigem Dank an, richtete ihre Aufmerksamkeit dann jedoch wieder auf das Innere des Zuges; jetzt stieg ihr Sohn aus, ein Kind mit langem, goldenem Haar. Da sie unter anderem Szenen von Shakespeare spielten, war es unerläßlich, daß der Junge die Knaben- und Mädchenrollen übernahm.
    Als die drei mit ihren beiden recht mitgenommen aussehenden Koffern auf dem Bahnsteig standen, wandte sich Mervin Wendell zwei untersetzten
    Gestalten zu, Mann und Frau, die einem anderen Waggon entstiegen waren und sich um große Kisten bemühten, die die Kostüme der Truppe enthielten. »Sieh sie dir genau an, Murphy«, sagte Wendell, als benötigten die beiden seine Hilfe, um die Kisten zu identifizieren.
    Hierauf begab sich Wendell zu der Stelle, an der die Eisenbahner die Kisten ausgeladen hatten, gab jeder Kiste einen herrischen Fußtritt und wies Murphy an: »Bring sie ins Theater!« Seinem Assistenten den Rücken zukehrend, fand er sich plötzlich Aug in Aug mit Sheriff Dumire, dessen wenig erfreuliche

Weitere Kostenlose Bücher