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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Bekanntschaft er bereits in Kansas gemacht hatte. »Guten Abend, Mr. Wendell«, sagte Dumire mit ausgesuchter Höflichkeit.
    »Ah!« rief Wendell, offenbar erfreut, einen alten Freund zu treffen. »Sheriff Dumire! Ich darf Sie herzlichst zur morgigen Vorstellung einladen!« Und er zog eine kunstvoll umrandete Karte aus seiner Tasche, die ihrem Besitzer das Recht zu einem kostenlosen Besuch einer Vorstellung der »Theatralischen Truppe und Thespischen Ausstellung« von Maude und Mervin Wendell einräumte.
    Die Wendells machten sich erbötig, ihre Künste und Fähigkeiten den Bürgern von Centennial an zwei glanzvollen Abenden vorzuführen:    der erste war
    Shakespeare geweiht, von dem elf Szenen aufgeführt werden sollten, leicht bearbeitet, um den Gegebenheiten der Truppe zu entsprechen; auf dem Programm des zweiten Abends standen Potpourris, Monologe, Solos und Imitationen. Philip Wendell würde »Der treue Trommelknabe vom Rappahannock« rezitieren, danach, als Mädchen verkleidet, das Rührstück »Das blinde Mädchen an seine Harfe«. Maude Wendell brachte eine Auswahl aus ihren größten theatralischen Triumphen hier und in Europa, besonders »Porcias Ansprache vor Gericht« aus Shakespeares »Kaufmann von Venedig«, »Abschied der parthischen Mutter von ihrem Sohn, der im Kolosseum von Rom mit den wilden Bestien kämpfen soll«, und eine Auswahl aus »Mazeppa« von Lord Byron.
    Die beiden Höhepunkte des Abends allerdings blieben Mervin Wendell vorbehalten. »Am Ende des ersten Teiles wird Mr. Wendell, allein auf der Bühne und von niemandem begleitet, einen Güterwagen der Union Pacific imitieren, wie er von Centennial abfährt und seine Fracht in Denver abliefert. Sie hören das Schlittern der Triebräder, das Schnauben der Lokomotive, wenn sie durch einen Tunnel fährt, die Pfiffe, die Bremsen und die glückliche Ankunft, worauf die gesamte Truppe sich zu einem lebenden Bild formieren wird, darstellend die toten Mitglieder des Cartwright-Zirkus, wie sie in den Himmel aufgenommen werden.«
    Das Ende des zweiten Teils versprach sogar noch besser zu werden, »denn dann wird Mr. Mervin Wendell, von seinem Sohn Philip auf der dreifachen Trommel begleitet, die Schlacht von Fredericksburg vorstellen, mit den feuernden Wachen, dem Angriff der Nordstaatler, dem Geknatter der Musketiere der Südstaaten, dem Brüllen der Kanonen von beiden Seiten, den explodierenden Patronen, und, akkompagniert von der gesamten Truppe, Hörnerfanfaren und den letzten Sturm, der endlich zum Siege führt.«
    Die »gesamte« Truppe bestand aus den drei Wendells, den zwei Murphys und einem jungen Mann von engelhafter Schönheit namens Chisholm, der aussah, als könnte ein Windhauch ihn hinwegblasen.
    »Chisholm ist mir schon einmal untergekommen«, sagte Dumire zu seinen Männern. »Seht zu, daß er nicht an die Cowboys herankommt - geschweige denn an die Schafhirten.«
    Nicht, daß Axel Dumire die Künste verachtet hätte. Er hielt etwas von Shakespeare und hatte vor, die erste
    Vorstellung zu besuchen, mit der vernünftigen Begründung, daß nicht einmal Mervin Wendell den Dichter umbringen könne. »Er ist sehr gut als Totengräber, der mit Yorick redet«, sagte Dumire, »aber wir dürfen ihn nicht aus den Augen lassen. Meiner Ansicht nach hat er keinen Cent in der Tasche, und in diesem Zustand ist er zu allem fähig.«
    Diskrete Anfragen im Railway-Arms-Hotel ergaben, daß der Inhaber zunächst unbedingt darauf bestand, daß die Truppe im voraus zahlte, daß Wendell jedoch einen Kompromiß erreicht hatte, demzufolge nur die Hälfte im voraus, die zweite Hälfte erst nach Kassaschluß für die beiden Vorstellungen zu bezahlen wäre. Der Hotelier erklärte, er würde schon am ersten Abend an der Kassa stehen und den noch ausstehenden Betrag kassieren, ein Vorgehen, das er unter ähnlichen Umständen schon öfter für ratsam gefunden hatte. Mr. Wendell nahm diesen Vorschlag höflich an und erklärte: »Auch ich muß Ihr Vorgehen in jeder Weise billigen.«
    Das Publikum am ersten Abend war nicht gerade überwältigend zahlreich, der durchschnittliche Bürger von Centennial hielt offenbar weniger von Shakespeare als Sheriff Dumire. Bei fünfzig und fünfundsiebzig Cent Eintritt reichte die Einnahme dieses Abends gerade hin, um die Forderungen des Hoteliers zu befriedigen. Aber Wendell war guten Mutes: »Großartiger Abend«, versicherte er seiner Truppe.
    Am zweiten Abend dagegen war der Saal gesteckt voll, die Leute applaudierten

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