Colorado Saga
Augen blickte er zum Sheriff auf und sagte: »Wovon reden Sie da?«
Einen Augenblick lang war der Sheriff entwaffnet. Dann schrie er: »Du weißt ganz genau, wovon ich rede, zum Teufel noch mal! Du warst dabei, du hast alles gesehen!«
Philips Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Gleichmütig dasitzend, die Hände in den Schoß gelegt, wiederholte er seine Frage: »Mr. Dumire, wovon reden Sie?«
»Mord!«
Bei diesem Wort blickte Philip entgeistert zu ihm auf, legte den Kopf zurück, daß er den rasenden Mann vor sich besser sehen konnte, und fragte: »Mr. Gribben? Aber ich habe ihn doch noch heute morgen gesehen!« »Du kleiner Satan!« Dumire hatte den Namen
Sorensons nicht erwähnt, in der Hoffnung, der Junge würde ihm in die Falle gehen, aber dazu war Philip viel zu schlau. Mr. Sorenson existierte nicht, bevor nicht Mr. Dumire ihn ins Gespräch brachte.
»Hinaus!« sagte Dumire zähneknirschend.
»Aber ich habe ihn doch gesehen«, sagte Philip und stand auf.
»Hast du Mr. Sorenson gesehen?« brüllte Dumire. »Wer ist Mr. Sorenson?« gab Philip unschuldig zurück. »Hinaus!« sagte der Sheriff und stieß mit dem Fuß die Tür auf.
Philip erzählte niemandem von diesem Gespräch. Seine Eltern würden sich nur beunruhigen, dabei mußten sie heute abend wieder in der Kirche singen. Die Familie ging zeitig hin und genoß das Abendessen, danach sprach Hochwürden Holly mehrere Gebete, und der Chor sang einige Kirchenlieder. »Und nun«, sagte er mit offensichtlichem Vergnügen, »kommt das, worauf wir alle schon warten! Die Wendells geben wieder einmal eine Probe ihres hervorragenden Könnens!«
Er strahlte übers ganze Gesicht, als die Wendells neben dem Klavier Aufstellung nahmen, dann nickte er Sheriff Dumire zu, der am anderen Ende des Betraums saß, und strahlte wieder, als Philip mit kindlich reinem Sopran zu singen anfing, sanft wie die Stimme des Engels... Als Mervin, der Sorenson den tödlichen Schlag versetzt haben mußte, mit seinem dröhnenden Bariton in den Gesang einfiel, wurde es Sheriff Dumire zuviel. Er verließ den Raum noch vor dem Schlußgebet.
Am nächsten Morgen ritt er schon zeitig hinüber ins Gericht nach Greeley und konsultierte Richter Leverton, einen säuerlichen Mann, der fast einen Wutanfall bekam, als er erfuhr, was Dumire zu ihm geführt hatte. »Wie können Sie es wagen, mich mit den läppischen Einzelheiten eines Falles, den Sie nicht beweisen können, zu belästigen! Wieso vertrauen Sie
mir etwas an, was später vielleicht vor Gericht auf mich zukommt? Ich sollte Sie einsperren lassen!« Dumire überhörte die Zurechtweisung. »Ich möchte Sie nur um Ihren Rat bitten, Sir.«
»Rat kann sich ein Sheriff nur beim
Bezirksstaatsanwalt holen.«
»Aber Sie kennen die Gesetzeslage besser...«
»Ich werde Ihnen gleich eine Probe dafür liefern: Sie machen sich einer Mißachtung des Gerichts schuldig.« »Nur eine Frage noch: Geben Sie mir einen
Hausdurchsuchungsbefehl?«
»Bei Ihren Beweisen? Man würde mich zur Verantwortung ziehen.«
»Richter Leverton, ich weiß, daß Sie das Geld haben.« »Was haben Sie für Beweise?«
»Es ist die einzige logische Möglichkeit.«
»Hinaus mit Ihnen, bevor ich Sie einsperren lasse!« Auf dem Ritt zurück nach Centennial ließ der abgewiesene Sheriff noch einmal die Tatsachen an seinen Augen vorüberziehen. Richter Leverton hatte etwas gesagt, was ihm jetzt wieder einfiel: »Zum Teufel, Dumire, ohne Corpus delicti haben Sie nicht einmal das Recht, an einen Mord zu denken. Sorenson vergnügt sich vielleicht jetzt eben in Texas.«
Das war das grundlegende Problem. Zuerst mußte man die Leiche finden, dann erst konnte man die Schuld beweisen. Aber wo war sie versteckt? Er konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf das Gebiet rund um das Haus der Wendells. Wenn sie ihn in ihrem Haus getötet hatten, fragte er sich, was hatten sie dann mit der Leiche angestellt?
Eines Morgens, als Maude Wendell mit einem Korb Wäsche am Arm das Haus verließ, bemerkte sie mit Entsetzen, daß sich auf dem Feld ihrem Haus gegenüber ein Mann herumtrieb, und als sie näher hinsah, erkannte sie Sheriff Dumire, der Entfernungen abschritt und immer näher zu dem alten Brunnen kam.
Als er sie das Haus verlassen sah, nickte er ihr zu, sie dankte. Dann ging sie die Erste Straße hinunter, als wäre kein Dumire in ihrem Rücken. Nicht umdrehen! sagte sie sich. Aber als sie zu Mittag zurückkehrte, stand ihr Mann im vorderen Zimmer und spähte
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