Colorado Saga
Reiter. Calendars Jungen ließ er bei Philip und überlegte, wie ähnlich sich das junge Leben der beiden im Grunde abgespielt hatte - noch als Kinder hatten sie sich schwierigen Situationen gegenübergesehen, die sie einfach meistern mußten, wenn sie nicht umkommen wollten. Vielleicht waren deshalb die Männer im Westen so stark, weil sie schon so jung zu kämpfen hatten.
Die Posse ritt nach Osten, bis sie Calendars umzingelten Schafwagen erreichten. Sie trafen den sehnigen Texaner an, die Augen von schlaflosen Nächten gerötet, die Sharps-Büffelbüchse in der Hand. Auf der kleinen Anhöhe, die das Tal überblickte, lag ein toter Kansas-Gangster.
»Wie ist dein Sohn da durchgekommen?« fragte Dumire.
»Er ist geritten«, knurrte Calendar, und Dumire konnte sich vorstellen, was für sorgfältige Vorbereitungen notwendig gewesen waren, vorsichtiges Schleichen durch die Dunkelheit, blitzartiges Aufsitzen auf das Pferd und ein rasender Ritt quer durch die Prärie.
»Wo sind die Killer?« fragte er Calendar.
»Reitet den Blutspuren nach. Einen hab' ich am Bein verletzt.«
»Welche Richtung?«
»Nach Westen. Bemühen sich, einen Zug zu erwischen und von hier zu verschwinden.«
Dumire führte seine Männer zurück nach Centennial, wo sie gerade rechtzeitig ankamen, um den beiden Killern, die den Nachmittagszug nach Denver erwischen wollten, den Weg abzuschneiden. Die beiden hatten ihre Pferde stehengelassen und sich in der Nähe des Bahnhofs versteckt, als die Gruppe ankam. Sobald Philip ihrer ansichtig wurde, sprang er in die Mitte der Straße und schrie: »Sie sind dort hinter dem Geschäft.«
Ohne zu zögern spornte Dumire sein Pferd und ritt auf die beiden Banditen zu. Kugeln flogen durch die Luft, aber Dumire blieb im Sattel und erschoß den mit dem verwundeten Bein. Der andere entkam.
Jetzt ging die ganze Stadt auf Menschenjagd. Vorsichtig um sich blickend, schlichen sich Männer mit Gewehren in der Hand von einer Straße in die andere. Endlich entdeckte Philip den Flüchtigen an der Kreuzung zwischen der Vierten Straße und der Fünften Avenue, gegen Zendts Geschäft zu, und sah dabei voll Entsetzen, daß Sheriff Dumire in eine Falle lief. Noch zwei Schritte, und er bot dem Banditen ein Ziel, das dieser nicht verfehlen konnte. Schon hob dieser seine Büchse.
Einen Augenblick lang zögerte Philip. Wenn Dumire starb, dann starb Sorensons Geheimnis mit ihm, denn Dumire hatte keinen anderen in seine Vermutungen eingeweiht. Wenn er tot war, war endlich Frieden, und die Wendells konnten anfangen, unbesorgt ihre Geldbündel an den Mann zu bringen. Aber es war unvorstellbar, daß Dumire sterben sollte.
»Sheriff!« schrie der Junge mit der ganzen Lautstärke, die ihm zur Verfügungstand. Dumire sprang zurück und schoß. Er tötete zwar den Banditen, bekam dabei aber eine fürchterliche Ladung ab, die seinen Brustkorb zerschmetterte.
Drei Tage lang wartete ganz Centennial auf Nachrichten aus dem Krankenhaus. Die Bürger wußten, daß Axel Dumire nachdrücklich und mit Erfolg für das Gute eingetreten war, und jetzt, nach der endgültigen Eliminierung der Pettis-Gang, würde hier in dieser Gegend endlich der Friede einziehen.
Am Freitag wurde für ihn gebetet, und Hochwürden Holly verkündete mit zitternder Stimme, daß er die Wendells gebeten habe, zum Abschluß des Gottesdienstes noch einmal den herrlichen Gesang von der Hoffnung anzustimmen. »Denn es ist Hoffnung«, sagte er, »solange Gott die Gerechten liebt, solange ist Hoffnung.«
Also nahmen die Wendells wieder Aufstellung neben dem Klavier und vereinten ihre Stimmen zu dem Gesang der Hoffnung. Nie zuvor war man ergriffener gewesen. Aber gegen Ende, als Philip die Arabesken sang, die seine Eltern für ihn erfunden hatten, da brach seine Sopranstimme, als stünde er schon an der Schwelle zum Mannesalter, er schlug die Hände vors Gesicht, damit die Leute in den vorderen Reihen nicht sahen, daß er weinte, und betete: »Gott, laß ihn nicht sterben!«
In der Nacht sagte Sheriff Dumire dem Arzt, daß er den jungen Philip sehen wolle. Ein Bote wurde zum Haus der Wendells gesandt, und Mervin fragte zitternd vor Aufregung: »Ist er tot?« Und der Bote antwortete: »Lang macht er's nicht mehr. Er möchte Ihren Sohn sehen.« Als der Junge das Haus verließ, trat seine Mutter zu ihm hin, nahm seine Hand, wollte mit ihm reden und ihn umarmen, aber er brauchte ihre Hilfe nicht. Er machte sich los und lief zum Krankenhaus. Axel Dumire lag in einem kleinen
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