Colorado Saga
der sich in ein Dachs-Spiel verwickeln hätte lassen, weder als Täter noch als Opfer, aber wenn er schon durch Zufall in so etwas hineingeraten wäre, dann hätte er nicht den Kopf verloren.
Aber sosehr er Dumire auch respektierte, er durchschaute, daß dieser ein Spiel spielte, das mehr war als ein Spiel. Auch seine Eltern spielten, aber zugleich war das Spiel auch Ernst. Wirkliche, fürchterliche Dinge geschahen rund um ihn, so wie der Tornado damals in Kansas, und er war im Zentrum dieses Sturms. Entsetzliches war geschehen, und nur er konnte alles im Gleichgewicht halten. Er war kein Kind mehr, kein als Mädchen verkleideter Junge, kein Weichling mit langen Haaren. Er war für seine Familie verantwortlich, und nie und nimmer würde er auch nur das Geringste verraten, was seine Familie gefährden konnte.
Der Konflikt, in den er verwickelt war - einerseits grenzenloser Respekt vor Sheriff Dumire, anderseits die Notwendigkeit, seine Eltern zu schützen -, wuchs ihm fast über den Kopf. Wenn ein Erwachsener unter dieser Last zusammengebrochen wäre, hätte jeder dafür Verständnis gehabt; Philip hielt durch, aber nur wegen seines kindlichen Unwissens um die möglichen Folgen.
Das Ringen zwischen ihm und dem Sheriff wurde nun immer ernsthafter. Der Sheriff war überzeugt davon, daß der Junge wußte, was dem Schweden zugestoßen war, und der Junge wußte, daß er den Sheriff um jeden Preis davon abhalten mußte, dieses Geheimnis herauszubekommen.
Die erste Spur fand Dumire, als ein Stubenmädchen im Hotel, das er schon viermal ausgefragt hatte, ihm verärgert sagte: »Jetzt hören Sie schon damit auf, immer mich zu verdächtigen, daß ich die schwarze Tasche gestohlen habe. Mr. Sorenson hatte sie doch bei sich, als er bei der Hochzeit war.«
»Als er wo war?«
»Bei der Hochzeit Sie waren ja auch dort. Ich habe Sie doch gesehen. Er hat nur hineingeschaut, genau wie Sie. Er war nicht geladen, aber die Tür war offen, und wahrscheinlich hat er gehört, wie die Wendells dieses schöne Lied sangen... «
Ruhig ersuchte Dumire das Mädchen, ihm das Ganze noch einmal zu erzählen; es war also klar, daß am Abend der Gribben-Hochzeit Soren Sorenson irgendwie mit den Wendells zusammengetroffen war. Mehr brauchte er nicht. Dumire war überzeugt, daß Sorenson mit Mrs. Wendell ins Gespräch gekommen war; »zufällig« hatte er wohl gehört, daß ihr Mann mit dem Nachtzug nach Denver fahren mußte, und war ihnen daraufhin ins Garn gegangen. Aber irgend etwas war dann schiefgegangen, und so hatten sie Sorenson umgebracht.
Zwei Wochen lang behielt er diese Gedanken bei sich, die ganze Zeit über betend, daß er doch einen Menschen finden möge, der gesehen hatte, wie Mr. Sorenson das Hotel gemeinsam mit Mrs. Wendell verließ. Aber ein solcher Zeuge fand sich einfach nicht. »Der Teufel soll's holen!« schrie er und schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch. »Sie geht mit ihm die Prairie Road hinauf und die Mountain Road nach Osten, und das gegen zehn Uhr am Abend in einer mondhellen Nacht, und keiner soll sie gesehen haben!«
Aber keiner hatte sie gesehen. Ein gutes Dutzend Male schritt er die Entfernung ab und versuchte, sich vorzustellen, wo genau die beiden gegangen sein mußten. Dann folgte er den Schienen und ging durch die Erste Straße nordwärts, aber er wußte, daß Mrs. Wendell Sorenson niemals durch diese verlassene
Gegend geführt hätte, denn dann wäre Sorenson mißtrauisch geworden. Unglaublich! Sie war einfach mutig mit ihm durch die belebtesten Straßen gegangen, und keiner hatte die beiden gesehen.
Er konzentrierte sich wieder auf den Jungen, holte bei seinen Ausfragereien ganz weit aus und kam nie auf die Idee, daß Philip immer schon im voraus wußte, was jetzt kommen würde. Eines Abends, als er den Jungen etwas Belangloses fragte, sah der ihn mit dem gleichen forschenden Blick an, mit dem er damals Mr. Gribben angesehen hatte. Was hatte Gribben gesagt? »Hast du gesehen, wie der Junge mich angestarrt hat?« Als er sich an diese Worte erinnerte, da fiel es Dumire wie Schuppen von den Augen.
Langsam stand er von seinem Schreibtisch auf und zeigte mit seinem rechten Zeigefinger auf Philip. »Du weißt alles!« sagte er mit leiser Stimme. »Du hast von Anfang an alles gewußt. Du hast auch von der Sache mit Mr. Gribben gewußt.«
Philip starrte ihm ins Gesicht. Weder mit einem Zucken eines Gesichtsmuskels noch durch schnelleres Atmen verriet er seine innere Erregung. Mit unschuldigen blauen
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