Colorado Saga
vergnügen. Die brauchen nicht mehr Freizeit.«
Und doch liebten die Menschen dieses Tal. Es war eine im Winter vor Schnee und im Sommer vor extremer Hitze geschützte Enklave. Es hätte die ideale Kulisse für ein Mestizenparadies abgegeben - nur daß es Silber barg und die Ingenieure dieses haben wollten. Dank der Wachsamkeit der Landpolizei und der Kirche wäre alles auch weiterhin gutgegangen, hätte es da nicht einen langen, hageren Unruhestifter mit einem grimmigen Gesicht gegeben, der unter den Arbeitern großes Ansehen genoß, den aber die Ingenieure verächtlich Capitán Frijoles - Hauptmann Bohnenfresser - nannten. »Ich wollte, die Landpolizei würde ihn einmal abschießen«, sagte der Oberingenieur, als er erfuhr, daß Frijoles wieder von einem Streik redete. »Was will denn der Kerl eigentlich?«
Frijoles wollte einen freien Tag in der Woche, zwölf statt vierzehn Stunden Arbeitszeit, bessere Verpflegung und ärztliche Betreuung für Frauen, die ein Kind erwarteten.
Hauptmann Mendoza von der Landpolizei besuchte Frijoles und warnte ihn: »Das ist revolutionäres Gerede. Wenn ich noch einmal höre, daß du solche Forderungen stellst, bist du geliefert.«
Auch Vater Grávez suchte Frijoles auf. »Gott weist jedem von uns seine Arbeit zu«, erklärte er ihm. »Deine Arbeit, Capitán, ist es, Silber aus der Erde zu holen. Gott sieht alles, was du tust. Er weiß von deinen guten Eigenschaften und wird dich eines Tages dafür belohnen. Außerdem braucht General Terrazas das Silber für die guten Werke, die er in Chihuahua tut.«
Diese Argumentation beeindruckte Frijoles für den Augenblick, doch als er später versuchte, sich nur einer einzigen guten Tat zu erinnern, die General Terrazas je für das Volk von Chihuahua getan hätte, fiel ihm nichts ein. Der General gab sein Geld für große Häuser und Paläste aus, kaufte Automobile für seine vielen Kinder, machte weite Reisen nach Europa, empfing europäische Geschäftsleute und zahlte den Politikern in Mexico City Bestechungsgelder. »Wenn er damit fertig ist«, murmelte Frijoles, wenn er mit seinen Kumpeln sprach, »kümmert er sich dann vielleicht auch einmal um uns.« Die Grubenarbeiter, durch Erfahrungen klug geworden, fürchteten, daß es damit noch lange Weile haben könnte.
So kam also die Agitation nicht zum Stillstand, und die die Macht besaßen, beschlossen, dem lästigen Frijoles ein für alle Male das Handwerk zu legen. Die Landpolizei hielt ihn für in zunehmendem Maße gefährlich, und Hauptmann Mendoza erteilte den nüchternen Befehl: »Erschießt ihn!« Die Ingenieure befürchteten, daß ihre guten Beziehungen zu General Terrazas durch ihn leiden könnten, und kamen allesamt zu der Überzeugung: »Wir müssen ihn loswerden!« Vater Gravez und insbesondere sein Vorgesetzter, der Kardinal in Chihuahua, erblickten in seinen Worten einen versteckten Angriff auf die festgefügte Ordnung der Kirche und rangen sich zu dem Entschluß durch: »Er muß zur Räson gebracht werden!« Ganz deutlich erkannte General Terrazas in ihm den Schrittmacher für alle möglichen Forderungen der Arbeiter, die nicht länger als zweiundsiebzig Stunden in der Woche arbeiten wollten, und gab die Parole aus: »Eliminieren wir ihn!« Und Präsident Porfirio Diaz, der alte Diktator in Mexico City, der sich der Tatsache bewußt war, daß die Unruhen im Norden sein geliebtes Land bedrohten, sah in Frijoles eine ernst zu nehmende Gefahr für die Stabilität der Nation. »Tötet ihn!« riet der alte Mann, denn er hatte gelernt, einen Feind zu erkennen, wenn er ihn sah.
An der Spitze einer Abteilung »seiner« Männer, die es gewöhnt waren zu schießen, ohne Fragen zu stellen, begab sich Hauptmann Mendoza an einem klaren Februartag nach Temchic, um Frijoles zu verhaften. Auf dem Rückweg durch das Tal würde man den Revolutionär freilassen, und die Landpolizisten - es waren ihrer vierzehn - würden ihn »auf der Flucht« erschießen. Die »ley de fuga«, das Fluchtgesetz, ersparte den Behörden die Kosten der
Gerichtsverhandlung.
»Erschießt ihn nicht hier«, instruierte Hauptmann Mendoza seine Leute. »Die Weiber erheben in solchen Fällen immer ein fürchterliches Geschrei, und wir wollen nach Möglichkeit jede Unruhe vermeiden.«
Auf seinem Weg durch die Stadt besuchte er die Ingenieure in ihrem Büro und versicherte ihnen: »Mit Frijoles werden Sie keine Schwierigkeiten mehr
haben.« Sie dankten ihm, denn sie waren nur daran
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