Colorado Saga
lächerlich vorgekommen. Das aber brachte ihn in Konflikt mit den Hoheitsrechten von Freund Rufus.
In jenem Frühling begann sich der halblahme Bulle auf die besonders harten Kämpfe vorzubereiten, die ihm, wie er wußte, bevorstanden. Eifrig erprobte er seine Hörner an den Pappeln und brüllte stundenlang unten beim Fluß. Außerdem suhlte er sich häufig und brach Kämpfe mit jüngeren Bullen vom Zaun. Mit konzentrierter Aufmerksamkeit beobachtete er die drei oder vier älteren Bullen, die das Kommando über die Kühe führten, nahm aber besonders Rufus aufs Korn. Ihm schien, daß die Kräfte des Alten nachließen.
Mit dem Beginn der Brunftzeit verwandelte er sich in ein wildes Tier, das nach jedem Lebewesen stieß, das ihm über den Weg lief. Und eines Tages, als Rufus sich eine Kuh ausgewählt hatte, lauerte er entschlossen auf den richtigen Moment zum Angriff - leider jedoch zu spät, denn eben als er die ersten Schritte tat, kam ein anderer Jungbulle heran, um den alten Champion wagemutig herauszufordern. Es gab die übliche erste Konfrontation, das Starren, die Weigerung nachzugeben, das Einstemmen der Hinterbeine, den kraftvollen Angriff und den wuchtigen Aufprall, als die Köpfe zusammenstießen.
Es war ein großer Kampf, eine richtige Belastungsprobe für die Kräfte des älteren Bullen, aber er bestand diesen Test mit Würde, hielt seinem Herausforderer mühelos stand und trieb den jungen Bullen langsam zurück. Als er dem Angreifer jedoch seinen Denkzettel verpaßt und das triumphierende Gebrüll des Siegers ausgestoßen hatte, mußte er feststellen, daß sein Sieg keineswegs vollständig war, denn während er mit dem anderen kämpfte, war der halblahme Bulle mit der wartenden Kuh davongezogen und besprang sie nun im üppigen Gras bei den beiden Säulen.
Von diesem Tag an waren Rufus und der junge Bulle Feinde. Zu einem Kampf kam es allerdings nicht, denn der Jüngere spürte, daß er bei dem Haß, den Rufus gegen ihn hegte, niemals gewinnen konnte. Deswegen hielt er sich listigerweise vorerst zurück und ging Rufus sogar noch aus dem Weg, als sich im Herbst die große Herde sammelte.
Dann allerdings kam alles sehr schnell. Am ersten Tag der neuen Brunftzeit forderte er Rufus zum Kampf um die erste Kuh heraus. Fast eine Minute lang funkelten sich die beiden riesigen Tiere wütend an, und Rufus wappnete sich gegen die erste Attacke, war jedoch keineswegs darauf gefaßt, daß sie so ungeheuer stark ausfallen würde. Zum erstenmal wich er ein kleines Stück zurück, um besseren Halt für seine Hinterhufe zu finden. Der zweite Stoß war aber nicht weniger wuchtig, der jüngere Bulle machte eine Finte und stieß dann gewaltig an der anderen Seite zu. Und Rufus spürte, wie das Horn seine Flanke aufriß.
Zum erstenmal war Rufus in einem Kampf verwundet worden. Brennender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Mit einem nie dagewesenen Zorn stellte er sich seinem Gegner und stürzte sich mit so furchtbarer Wucht auf ihn, daß er dem anderen zwei Rippen brach.
Normalerweise hätte das genügt, um den Herausforderer aus dem Feld zu schlagen, aber der kohlschwarze Bulle war eben kein normaler Bison. Er war ein in jeder Art von Feindseligkeit erfahrenes Tier und dazu eines, das lieber sterben als sich besiegen lassen wollte. Den Körper ein wenig zur Seite gekrümmt, um so die Schmerzen zu mildern, ging er direkt auf Rufus zu und brachte ihn mit Stößen gegen Brust und Flanke aus dem Gleichgewicht. Das war kein konventioneller Kampf mehr, hier gab sich ein hitziger, junger Bulle die größte Mühe, seinen älteren Gegner zu töten.
Unermüdlich stach und stieß er auf Rufus ein, ließ ihm auch nicht die geringste Chance, noch einmal festen Fuß zu fassen. Mit einer Mischung aus Staunen und Angst spürte Rufus, daß er diesen jungen Gegner nicht überwinden konnte. Vage kam ihm der Gedanke, daß nun ein Besserer seinen Platz übernehmen würde, und er begann allmählich zurückzuweichen. Zuerst -widerwillig - mit einem Fuß, dann auch mit den anderen. Er war eindeutig auf dem Rückzug.
Mit einem triumphierenden Schnauben griff ihn der Jüngere ein letztes Mal an, rammte ihn, daß er zur Seite stolperte, und ließ ihn konfus stehen. Völlig demoralisiert, Kopf und Schwanz tief gesenkt, machte sich Rufus aus dem Staub, während der schwarze Bulle Besitz von der Kuh ergriff, die er durch seinen Sieg erobert hatte.
Die anderen Bisons reagierten nicht, als Rufus sich vom Kampfplatz zurückzog; sie zeigten, als er
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