Colorado Saga
nur, daß er ein Ausgestoßener war.
In der Mitte des reißenden Flusses kam ein Gewirr aus zerknickten Baumstämmen, Eisschollen, großen Steinen und toten Tieren herangetrieben. Es war eine Art schwimmender Insel, die mit ungeheuerlicher Kraft flußabwärts schoß. Sie erreichte ihn, drückte ihn unter Wasser, drängte ihn erbarmungslos in die dunkle Tiefe und jagte weiter.
Als der Bison über die Landbrücke nach Amerika kam, traf er dort auf eine riesige, mißgestalte Kreatur, die in vieler Hinsicht sein genaues Gegenteil war. Der Bison war vorne breit, hinten schlank, während das einheimische Tier ein sehr kräftiges Hinterteil und einen schlanken Vorderkörper besaß. Der Bison war ein Landtier, das andere Tier lebte fast ausschließlich im Wasser. Es wog ungefähr dreihundertfünfzig Pfund und wirkte mit seinen auffallenden, messerscharfen Vorderzähnen äußerst gefährlich. Doch es war kein Fleischfresser, sondern benutzte seine Zähne lediglich zum Fällen von Bäumen. Denn dieses Riesentier war ein Biber.
Die ersten Biber waren viel zu groß, um dem Konkurrenzkampf standzuhalten, der zwischen den amerikanischen Tierarten begann; sie brauchten zuviel Wasser für ihre Burgen und zu viele Wälder für ihre Nahrung. Mit den Jahrtausenden jedoch wurde eine kleinere Nebenlinie mit kleineren Zähnen und weicherem Pelz dominant, aus der sich dann eines der liebenswertesten und halsstarrigsten Geschöpfe der Natur entwickelte. Sie lebten vorwiegend in den Flüssen von Colorado.
Eines Frühlingsmorgens machten die Bibermutter und der Bibervater in ihrem Bau an einem kleinen Creek westlich der Zwillingssäulen ihrer zweijährigen Tochter klar, daß sie nunmehr nicht länger bei ihnen bleiben könne. Sie müsse sich selbständig durchs Leben schlagen, sich einen Gefährten suchen und sich gemeinsam mit ihm eine eigene Burg bauen. Die junge Biberdame verließ nur ungern den sicheren Hort, in dem sie ihre ersten zwei Lebensjahre verbracht hatte; von nun an würde sie auf den Schutz ihrer hart arbeitenden Eltern und auf die lärmige Gesellschaft der um ein Jahr jüngeren Geschwister, mit denen sie am Ufer des Baches und in seinem tieferen Wasser so lustig gespielt hatte, verzichten müssen.
Ihr größtes Problem jedoch würde die Suche nach einem jungen Bibermännchen sein, denn in diesem Teil des Creeks waren einfach keine zu finden. Also mußte sie die Heimat verlassen, sonst mußten ihre Eltern sie schließlich noch umbringen, denn sie war reif genug, um selbst zuarbeiten, und ihr Platz im Wohnkessel wurde für weitere Würfe von Jungen benötigt.
Also verließ die junge Biberin ihre Familie und schwamm durch den Tunnelgang zum Einschlupf. Vorsichtig tauchte sie auf, richtete ihre kleine braune Nase uferwärts und schnupperte nach Anzeichen von Feinden. Da sie keine fand, stieß sie die mit Schwimmhäuten versehenen Hinterfüße kräftig nach hinten, faltete die kleinen Vorderpfoten unter dem Kinn und begann die Reise den Bach hinab.
Ein Stoß ihrer Hinterbeine reichte aus, um sie ein beträchtliches Stück weiterzubringen. Während des Schwimmens, bei dem sie den Kopf an der Oberfläche hielt, hielt sie aufmerksam Ausschau nach drei Dingen: nach jungen Bäumen, falls sie Nahrung brauchte, nach günstigen Stellen zum Bau eines Dammes sowie der dazugehörigen Burg und nach männlichen Bibern.
Zunächst verlief ihre Suche ziemlich enttäuschend. Sie sah zwar zahlreiche Pappeln am Ufer, deren Rinde ein Biber fressen konnte, wenn es nichts anderes gab, fand aber nirgends Espen, Birken oder Erlen, die sie als Nahrung bevorzugte. Wie man einen jungen Baum annagte, ihn von der Rinde befreite und fällte, damit man auch an die jungen Triebe herankam, wußte sie. Sie konnte auch einen Damm bauen und die Fundamente für eine Burg herstellen. Sie war überhaupt eine gute Hausfrau und würde, sobald sich die Gelegenheit ergab, auch eine sehr gute Mutter sein.
Sie war ungefähr eine Meile weit den Bach hinabgeschwommen, als sie am Ufer ein ansehnliches junges Männchen entdeckte, das sich mit Hingabe das Fell putzte. Einen Augenblick lang beobachtete sie ihn, ohne daß er sie bemerkte, und vermutete zu Recht, daß er sich diese Stelle zum Bau eines Dammes ausgesucht hatte. Aufmerksam begutachtete sie den
Platz und wußte instinktiv, daß er bestimmt klüger daran tat, den Damm ein Stückchen weiter stromauf zu bauen, denn dort gab es feste Uferwände, an denen man ihn befestigen konnte. Kurz entschlossen schwamm sie auf
Weitere Kostenlose Bücher