Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
machte Rumson gar nicht erst mit, und das war gut so, denn die Richter würden ihn glatt disqualifiziert haben. Und außerdem: Bei achtundvierzig Zentimeter Regen, wer brauchte da noch die zusätzliche Feuchtigkeit?
    Es war im Winter 1917, als Alice Grebe das Leben auf der Prärie endlich voll und ganz akzeptierte. Sie beklagte sich bei Vesta Volkema: »Die Leute hier sprechen von einem Grashaus, als ob das etwas Verächtliches wäre, gerade noch gut genug für Tiere. Es ist ja nichts anderes als Adobe, und die Spanier haben jahrhundertelang darin gelebt. Ich habe gehört, daß man es in Arizona allen anderen Baumaterialien vorzieht.«
    Ihr Grashaus war behaglich - kühl im Sommer, warm im Winter -, und wer die Verdächtigung aussprach, es fördere die Ansiedlung von Läusen und Flöhen, der log. »Wenn man die Ecken sauber hält«, erklärte sie Vesta, die nie in einem Grashaus gewohnt hatte, »fördert es gar nichts. Und die Wände schwitzen auch nicht.«
    Im Februar kauften die Grebes eine Ladung Bauholz und hängten einen Anbau mit Pultdach an das Ostende ihres Hauses. Mit dünnen Latten teilten sie es in eine große Küche und ein kleines Zimmer für die zwei Kinder, Ethan und Victoria. Es war ein wohnliches, gemütliches Haus, und im Sommer blühten die Blumen auf dem Grasdach, und die Vogel flogen zu, um die Samen aufzupicken.
    Wenn das Grashaus der Grebes eine der freundlichsten Behausungen in Line Camp war, so hauptsächlich deshalb, weil Alice es dazu gemacht hatte. Sie schien mit den Jahren größer und magerer zu werden und immer hartnäckiger darauf bedacht, das Abenteuer, das sie im Westen gesucht hatten, zu einem Erfolg werden zu lassen. Sie lebte immer in einem Zustand der Spannung, aber sie hatte gelernt, diese Spannung zu beherrschen, und widmete sich, wenn die Hausarbeit getan war, mit aller Kraft den Problemen ihrer Gemeinde.
    Mervin Wendell hatte sich sehr bemüht, seine Parzellen in Line Camp zu verkaufen. Es gab bereits Behausungen für mehr als dreihundert Menschen, und die Siedlung blühte. Zusätzlich zu den ursprünglichen zwei Steinhäusern gab es jetzt auch schon eine Kirche, eine Bank, eine Zeitung, ein schönes
    Eisenwarengeschäft und ein geräumiges Hotel mit einer breiten Veranda, auf der sechs Schaukelstühle standen.
    Was Alice Grebe sich für ihre Gemeinde wünschte, das war eine Bibliothek und eine größere Kirche. In ihrem Bestreben, ihre Nachbarn von diesen Notwendigkeiten zu überzeugen, wurde sie, wie der Bankier sich beklagte, »verdammt lästig«. Sie organisierte gesellige Abende, richtete im Sommer einen Jahrmarkt ein und veranlaßte das Komitee des Pflügerwettbewerbs, einen Teil des Preisgeldes für Bücher abzuzweigen. Und sie hatte Erfolg. Eine Bibliothek wurde angelegt und die Kirche vergrößert.
    In ganz Amerika trieben Frauen wie sie ihre Gemeinden an, jene Ziele zu verwirklichen, die eine zivilisierte von einer unzivilisierten Gesellschaft unterschieden. Es waren immer Frauen, die auf Bibliotheken und Parkanlagen, Kindergärten und bessere Schulen drängten. Es waren tatkräftige Frauen wie Alice Grebe, die so lange nicht lockerließen, bis Banken und Kaufleute ihnen Mittel zur Verfügung stellten, um gute Werke zu vollbringen. Alice Grebes Bemühungen war es zu verdanken, daß Line Camp ein zivilisiertes kleines Städtchen wurde, dessen Straßenschild am westlichen Ortseingang die gar nicht so lächerliche Aufschrift trug:
    Das tüchtigste kleine Städtchen im Westen seht uns beim Wachsen zu!
    Potato Brumbauch war müde. Man schrieb das Jahr 1915, und er war achtundachtzig. Der Körper, der ihm so widerspruchslos gedient hatte, fing an zu protestieren. Vor kurzem hatte der Russe einen Schlaganfall erlitten, der die ganze linke Körperhälfte lähmte. Es war erschütternd und in gewisser Weise obszön, diesen stämmigen alten Mann mit einer Träne in seinem linken Auge zu sehen, denn er war nie einer gewesen, der Schwäche geduldet hatte.
    Täglich bat er Serafina Márquez, ihn in einen Stuhl auf den Rasen vor seinem Haus zu setzen, von wo aus er auf den Fluß hinausblicken konnte, mit dem er so lange gekämpft hatte. Sie erfaßte sehr bald, daß er zwar kaum noch sprechen konnte, seine geistigen Kräfte jedoch in keiner Weise beeinträchtigt waren. Offensichtlich dachte er viel nach. Er freute sich, wenn Besucher kamen, insbesondere Jim Lloyd, dem er sich tief verbunden fühlte. Zusammen saßen sie dann da und blickten auf den Fluß hinaus, über dem die Falken

Weitere Kostenlose Bücher