Colorado Saga
verdüsterte sich sein Gesicht, und er deutete auf einige furchtbare Jahre: Siebzehn Zentimeter - das Getreide war auf dem Halm verbrannt; fünfzehn Zentimeter - nichts war gediehen; zwölf Zentimeter - das Land war zur Wüste geworden.
Hier gab der alte Mann ein fauchendes Geräusch von sich, und Jim fürchtete schon, er hätte einen neuen Anfall erlitten. Keineswegs. Er versuchte nur, einen trockenen Sturm klanglich auszudrücken. Wie waren sie nur in jenen Jahren, hohe Staubsäulen aufwirbelnd, über das Land hingebraust!
»Früher oder später werden die Stürme wiederkommen«, meinte auch Jim Lloyd.
»Nur... eines...« Es kostete Brumbauch eine entsetzliche Anstrengung, diese Worte hervorzustoßen. Er deutete auf die Berge, die so klar und herrlich im Westen standen. Die zwei Männer unterbrachen ihre Unterhaltung, um auf diese riesigen Wachtposten zu starren, die die westlichen Grenzen des Flachlandes hüteten. Aber jeder sah sie auf andere Weise. Für Jim Lloyd waren sie ferne Steingebilde, die er nie wirklich kennengelernt hatte. Er hatte sie gelegentlich besucht und es einmal sogar gewagt, in ihr Inneres vorzudringen - in jener Nacht, da er und Brumbauch den Pettis nachgejagt waren -, aber sie bedeuteten ihm weiter nichts.
»Erinnerst du dich noch an die Pettis?« fragte er den Greis.
Die Gedanken des alten Russen waren weit von solchen Belanglosigkeiten entfernt. Er starrte auf die Berge hin, maß sie mit kühnen, ja dreisten Blicken und sah sie als das, was sie wirklich waren: eine zum Himmel aufragende Schranke, die der natürlichen Bahn der Wolken entgegenstand und ihnen ihr Wasser entriß, bevor es noch die Kämme und Grate überqueren und die östlichen Hänge benetzen konnte.
Es waren die Rockies, die die große amerikanische Wüste geschaffen hatten; die Rockies waren es, die Potato Brumbauch daran hinderten, so viel Wasser in den Platte zu bekommen, als er sich gewünscht hätte. Jetzt, da sein Leben zu Ende ging, begriff er, daß diese Berge immer nur unerbittliche Feinde gewesen waren. Sie waren die Barriere, hart und felsig und fast uneinnehmbar. Und doch war es möglich, sie zu unterwerfen. Mit dem erhobenen rechten Zeigefinger erklärte Brumbauch ihnen den Krieg. »Was... wir tun... Tunnel.«
Jim dachte über diese seltsamen Worte nach und wiederholte: »Tunnel?« Brumbauch senkte
zustimmend die Lider.
»Sie arbeiten doch schon an einem Tunnel«, entgegnete Jim. »Die Eisenbahn wird...«
»Wasser«, murmelte Brumbauch.
Es entstand ein langes Schweigen, und dann stand Jim auf und ging zum Flußufer. Eine Zeitlang sah er den Säbelschnäblern zu, und nach einer Weile kam er zurück und schob den Sessel des alten Mannes bis an eine Stelle, von wo aus auch er die Vögel beobachten konnte.
»Du meinst, wir sollten einen Tunnel durch diese Berge bauen, das Wasser heranführen, das auf die westlichen Hänge fällt - das Wasser, das wir auf dieser Seite brauchen - durch die Berge durch und...« Brumbauchs rechtes Auge funkelte mit jugendlicher Begeisterung. Lloyd hatte begriffen. Heftig deutete der alte Mann auf das trockene Bett des Platte.
»Und du willst, daß dieses Wasser dem Platte zugeführt wird?«
Brumbauch schwang seinen rechten Arm herum und zeigte nach Osten auf die große Prärie, die durch ein solches Projekt fruchtbar gemacht werden konnte. Über die letzten fünfzig Jahre hin war diese Vision in seinem Geist herangereift, doch hatte er sie nie formulieren können. Jetzt erst sah er das ganze knifflige System vor sich. Wasser - Wasser mitten durch das Herz der Berge - unermeßliche Mengen Wasser, um das durstige Flachland zu tränken.
»Aber um einen Tunnel durch diese Berge zu graben«, wandte Jim ein, »der mußte doch wie lang sein? Vierzehn Meilen? Zwanzig?« Allein der Gedanke an die Größe dieser Aufgabe erschreckte ihn.
Doch nicht Brumbauch. In einem krampfhaften Versuch, sich in Worten auszudrücken, die nicht kommen wollten, vermochte er nur ein einziges über die Lippen zu bringen, aber dieses Wort erklärte alles: »Bumm!«
Wenn ein Mann genügend Dynamit besaß und genügend Hirn, so war kein Tunnel unmöglich.
Jim war von Brumbauchs Vision so beeindruckt, daß er einem Redakteur des »Clarion« davon berichtete. Der junge Mann schrieb einen langen Artikel, in dem er mit vielen Kartenausschnitten und Fotografien seinen Lesern erklärte, was Potato Brumbauch vorschlug: alles Wasser, das Centennial heute und in aller Zukunft brauchen würde, von
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