Colorado Saga
Schneeflocke fällt, und so wird auch er Teil des endlosen Kreislaufs.
Als Serafina gegen fünf Uhr kam, um ihn wieder ins Haus zu rollen, sah sie, daß er tot war. Zu sehr war der Tod ihr vertraut, als daß sie zu spektakulären Trauerbezeigungen geneigt hätte, und der zufriedene Ausdruck auf Brumbauchs Gesicht überzeugte sie, daß er nicht gelitten hatte und nicht enttäuscht gestorben war. Mit Triunfadors Hilfe bahrte sie den Leichnam auf, und dann ging der Junge in die Stadt, um die Polizei zu verständigen, daß der alte Mann entschlafen war.
Italiener, Russen, Deutsche, Japaner und zahlreiche Mexikaner nahmen an der Beerdigung teil. Sie waren alle in seiner Schuld: die einen für gute Ratschläge, die anderen für Kredite. Als bester Freund des Toten trug Jim Lloyd um die Bestattung Sorge.
In den letzten Wochen des Jahres 1918, als man feierte, da, wie es im »Clarion« hieß, »der amerikanische Sieg über die deutschen Horden« feststand und »Europa durch den selbstlosen Einsatz unserer tapferen Boys wieder zu Ehren gebracht« war, fühlte Mervin Wendell zum ersten Mal die Nähe des Todes.
Er erfreute sich schon seit einigen Monaten nicht mehr der besten Gesundheit, denn in den Kriegsjahren hatte er wahrlich übermenschliche Leistungen vollbracht. Als Vorsitzender des Komitees für den Verkauf von Kriegsanleihen, Abschnitt Nord-Colorado, war er in so weit voneinander entfernt gelegenen Städten wie Omaha und Salt Lake City auf der Rednertribüne gestanden. Er trug eine von ihm selbst entworfene Uniform mit Ledergamaschen und einem Hut, wie Teddy Roosevelt ihn populär gemacht hatte, und sprach über Themen wie: »Unser großes
Abenteuer an der Somme« oder: »Wir sind stark, weil wir einig sind.«.
In seinem eleganten Haus in der Eighth Avenue empfing das Ehepaar Wendell so gut wie alle Würdenträger, die Colorado besuchten -Kriegsminister Baker, General Pershings Verwandte aus Wyoming, General Barker von der britischen
Armee, dessen Vater die große Viehranch am Horse Creek betrieben hatte -, und Wendell saß oft bis spätnachts mit seinen Gästen zusammen und redete mit ihnen über strategische Fragen und über den unvermeidlichen Endsieg der Alliierten.
Er hatte sich sein schauspielerisches Talent, die Gabe des Nachäffens bewahrt; bei seinen öffentlichen Auftritten sprach er mit unverkennbarem OxfordAkzent. Angesichts seiner schneidigen Uniform hielten ihn die meisten Zuhörer für einen Offizier bei den Königlich Britischen Dragonern, von denen er häufig und mit einer gewissen Sachkenntnis sprach, nachdem er sich einen ganzen Abend lang mit einem Oberst dieses Regiments über taktische Fragen unterhalten hatte. Er warb erfolgreich um Spenden für die Kriegswirtschaft, und Maude Wendell überwachte als charmante Vorsitzende des örtlichen Rotkreuzkomitees das Aufrollen von unermeßlichen Mengen an Verbandszeug.
Vornehmlich aber galten seine Bemühungen der Verwaltung seines ausgedehnten Landbesitzes, der nun mehr als fünfundfünfzigtausend Morgen Landes umfaßte, dreiundvierzig Farmen und Ranchen, die er zu Billigstpreisen erworben hatte. Seine Besitzungen in Line Camp hatte er alle verkauft und im Norden den Weg für ein neues Gemeinwesen frei gemacht. Es erhielt den Namen McKinley, »nach unserem zum Märtyrer gewordenen Führer«, wie er mit bebender Stimme zu erklären pflegte. Er hatte McKinley ein einziges Mal in Chicago gesehen und hielt ihn für den bedeutendsten Präsidenten, den die Vereinigten Staaten je hervorgebracht hatten.
McKinley war ein Bombengeschäft für ihn. Er hatte aus seinen Erfahrungen in Line Camp gelernt, nicht zu schnell zu verkaufen, sondern das Land so lange zu halten, bis die Stadt etabliert und ihre Zukunft gesichert war. Er hatte sich im Jahre 1917 vornehmlich damit beschäftigt, potentielle Käufer nach der neuen Siedlung zu bringen, und bei einem Weizenpreis von zwei Dollar neunundzwanzig für den Scheffel war es ihm nicht schwergefallen, Anbauflächen in ansehnlichem Ausmaß an die Bauern, die aus dem Osten kamen, zu verhökern.
Seine Werbebroschüre für McKinley übertraf alles, was er sich bisher geleistet hatte; Bilder und Text waren auf geradezu schamlose Weise aufgemacht. Zwei Bildseiten zeigten den unaufhaltsamen Aufstieg des Bauern Earl Grebe aus Ottumwa in Iowa, der im Jahre 1911 mittellos nach Line Camp gekommen war und vor kurzem eine weitere Half-Section erworben hatte, womit sein Besitz jetzt insgesamt 1280 Morgen umfaßte:
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