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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Worten begann man zu zweifeln, als der nächste gewaltige Sturm auf sie herabstürzte. Die riesigen schwarzen Wolken fegten sogar die Rotdrosseln und die Falken vom Himmel. Es war ein lähmender Sturm - kein Wind, kein Heulen, kein Regen, nur das entsetzliche Umgebensein von Staub, der in jede Ritze eindrang und Nase und Auge reizte. »Ich ertrage das nicht länger«, murmelte Alice vor sich hin, war aber ängstlich darauf bedacht, ihre Gefühle zu verbergen, um die Kinder nicht zu ängstigen.
    »Was ist denn das, Mutter!« fragte ihre fünfjährige Tochter, als der Staub auch in die Küche eindrang.
    »Es ist ein Sturm, Liebling, und Stürme gehen vorbei.«
    Dieser ging erst nach fünf Stunden vorbei, und die Bürger von Line Camp waren entsetzt über den Schaden, den er angerichtet hatte. In den weiter außerhalb liegenden Gebieten war eine bis zu zwanzig Zentimeter hohe Staubdecke gegen Mauern und Zäune angeweht und in den Häusern eine einige Millimeter hohe Schicht Staub durch die Mauern und durch die geschlossenen Fenster gedrungen.
    Nichts war verschont geblieben. »Ich öffnete meinen Kühlschrank«, erzählte Vesta Volkema, »und alles war voller Staub.«
    In diesem Sommer wurde Line Camp von neun solchen Stürmen heimgesucht. Noch nie hatten die
    Siedler etwas so Schreckliches erlebt, und jeden Tag galt ihr erster Blick den Bergen im Westen. Am Morgen war der Himmel noch klar. Gegen elf Uhr vormittags erschien ein leiser Schatten am Horizont, und um drei Uhr nachmittags kroch dann die stille riesenhafte Masse über den Himmel, brachte den Staub aus Wyoming über das Land, nahm den Staub von Colorado auf und trug ihn nach Kansas weiter. Gegen Ende des Jahres verbreitete sich ein makabres Gerücht. Wenn ein Mann seine Frau während eines Staubsturmes ermordete, wurde er nicht vor Gericht gestellt werden, weil seine Tat entschuldbar war. Auf den Farmen wurde es vielen Frauen unmöglich, mit dem Staub zu leben, und in Line Camp und auch in Wendell gab es etliche, die in Nervenheilanstalten gebracht werden mußten. Es war nicht leicht, in irgendeinem entlegenen Haus zu sitzen, dem leisen Ächzen des Windes zu lauschen und zuzusehen, wie der Staub herangekrochen kam, die Schuhe bedeckte, dann die Strümpfe, dann auch die Schürze und schließlich in die Nase eindrang - und all dies am hellichten Tag, nur daß es so aussah, als ob düstere Nacht herrschte.
    »Rettet mich! Rettet mich!« hatte die Farmersfrau Lindenmeier geschrien, während sie vier Meilen über die Prärie gelaufen war. Wie eine Wahnsinnige war sie in Vesta Volkemas Küche gestürzt, und Magnes mußte sie fesseln und nach Greeley schaffen.
    Das Jahr war in jeder Beziehung eine Katastrophe. Selbst Earl Grebe, anerkanntermaßen der beste Farmer im Bezirk, erntete nicht mehr als sechs Scheffel pro Morgen, die er um dreiunddreißig Cent den Scheffel verkaufen mußte. Das war etwa die Hälfte des niedrigsten Preises, den man in diesem Jahrhundert gezahlt hatte. »Zu diesem Preis verschenke ich das Zeug«, erklärte er seiner Familie. Doch bevor sie noch etwas dazu sagen konnten, fügte er hinzu: »Aber was sollen wir tun? Wir können ja nicht alles selber essen.«
    Im Jahre 1933 erntete kein Farmer im ganzen Bezirk auch nur einen einzigen Scheffel Weizen. Und 1934 war es nicht anders. In diesen zwei Jahren gab es kein Einkommen, und viele Farmer waren nahe am Verhungern. Sie schlachteten ihr Vieh, weil sie kein Futter hatten, und konnten das Fleisch nicht verkaufen, weil niemand da war, der es hätte bezahlen können.
    Und die Staubstürme kamen wieder, einer nach dem anderen, und fegten die Erde in sich hoch auftürmenden Staubmassen vor sich her. Der Staub wurde ein ständiger Begleiter, der die Menschen würgte und erstickte. Die Kinder gingen mit Tüchern über ihren Nasen zur Schule, und viele Frauen trugen Tag und Nacht Häubchen, um ihr Haar sauberzuhalten.
    Neunzehn Höfe in Line Camp wurden von Philip Wendell zwangsversteigert, sechzehn andere vom Sheriff gepfändet, weil rückständige Steuern zu bezahlen waren, die manchmal nur ein paar Dollar ausmachten.
    Das Jahr 1934 war in vieler Hinsicht die reine Hölle. Es gab keinen Weizen zu ernten. Auf dem Grebeschen Besitz, diesem weiten, reichen Land, das die Menschen, die es besiedelten, so gut ernährt hatte, mußte eine aus sechs Kindern und zwei Erwachsenen bestehende Familie mit sechzehn Dollar im Monat auskommen, und es gab Tage, da sie nur eine Mahlzeit verzehrten. Den jüngeren Kindern

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