Colorado Saga
sagte sie, nachdem sie sich überzeugt hatte, daß keine Knochen gebrochen waren.
Durch den Novemberabend wanderte er heimwärts und fühlte sich so zufrieden wie noch nie in seinem Leben. Am wolkenlosen Himmel kreuzte Orion mit Hundsstern und Stier die Klingen, und Timmy hörte die Kanadagänse, die, in zahlreichen V-Formationen vor- und zurückschwingend und sich gegenseitig durch Signale verständigend, nach Süden flogen. »Vielleicht gelingt es mir nicht, ein Kalb einzufangen«, sagte er zu seiner Mutter, als er mit Beulen und blauen Flecken im Gesicht in die Küche trat. »Aber Angst werde ich bestimmt keine haben.«
Im Januar wählte Mr. Bellamy Timmy und den jungen Larsen aus, um am Bewerb teilzunehmen, und fuhr sie in seinem Wagen nach Denver. Es war eine herrliche Stadt. Die öffentlichen Gebäude waren mit roten, grünen und orangefarbenen Lichtern geschmückt, und die Viehzüchter standen in Gruppen um das AlbanyHotel herum, während die berühmten Rodeoreiter, von weit her gekommen, durch die Halle stolzierten.
Es gab in Amerika nichts, was der »Denver's National Western Stock Show« gleichgekommen wäre, denn hier erfolgte die Wertung der Hauptindustrie des Westens. Natürlich gab es täglich ein Rodeo, aber auch ein strenges Richten über Herefords und Black Angus, und wie ein Stier bei diesen Bewerben abschnitt, das konnte über Erfolg und Mißerfolg seiner Ranch entscheiden. Die Viehzüchter liehen sich Brennscheren von ihren Frauen aus, um ihre Tiere herauszuputzen, und verwendeten Schuhwichse, um die Hufe auf Hochglanz zu polieren. Von morgens früh bis spät in die Nacht gab es Vorführungen und Rennen und Ausstellungen und Preisgerichte und Konkurrenzen im Kuchenbacken, doch was die Leute in diesem Jahr am meisten interessierte, war der »Fang es und es gehört dir«-Bewerb.
Wie römische Gladiatoren, die darauf warteten, den Kampf mit den reißenden Tieren der Wüste aufzunehmen, saßen die zwanzig Jungen in der düsteren Garderobe der Arena. Einem erfahrenen Rodeoreiter fiel der kleine Timmy auf, und er sprach ihn an: »Du bist der Jüngste und der Leichteste, nicht wahr? Ich wette, ich weiß, was du vorhast. Du willst dich natürlich auf eines der kleinen Kälber stürzen.
Aber das ist keine gute Idee, weil auch alle älteren
Jungen hinter den kleineren Kälbern her sein werden. Und die werden dich nicht 'ranlassen. Also wenn du das Signal hörst, saus los und such dir das größte Kalb aus, denn da wird dir keiner ins Gehege kommen.« Er sah Timmy scharf an. »Du hast doch keine Angst, nicht wahr?«
»Ich habe keine Angst.«
»Dann geh auf das größte Kalb los!«
Timmy nahm sich diese Worte zu Herzen, und das war ein Glück, denn wie sein neuer Freund
vorausgesagt hatte, stürzten sich alle auf die kleinen Kälber, und die älteren Jungen stießen die jüngeren zur Seite. Timmy hingegen sprang ein ruppiges
Hereford-Kalb an, wobei es ihm zu seiner großen Freude gelang, das Tier im ersten Ansatz zu Boden zu ringen. Um wieviel kleiner das Kalb doch war als der Stier, mit dem er im Stall der Volkemas geübt hatte -das würde bestimmt ganz leicht gehen!
Aber es ging überhaupt nicht. Es war nie leicht, ein
Hereford-Kalb herumzuschubsen, nicht einmal für einen erwachsenen Mann. Den Kopf des Tieres mit beiden Armen umschlingend, lag Timmy da und stellte mit Schrecken fest, daß er, wenn er sein ganzes Gewicht einsetzte, das Tier wohl niederhalten konnte, jedoch keine Möglichkeit hatte, ihm den Halfter überzuziehen. O Jesus' schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, gib mir Kraft!
Aber er fühlte, wie er selbst schwächer und das Kalb mit dem weißen Gesicht stärker wurde. Die anderen neun Kälber waren bereits weggeführt worden, und jetzt konzentrierte sich das Interesse des Publikums auf den verbissenen Kampf zwischen dem kleinen Jungen und dem störrischen Kalb.
»Gib nicht auf, Junge!« brüllte die Menge, und der Rodeoreiter kam an die Barriere und rief ihm zu: »Leg ihm dein Bein über den Hals! He, Junge! Dein Bein!« Verzweifelt bemühte sich Timmy, sein linkes Bein über den Hals des Kalbes zu heben, aber das Tier war zu kräftig. Langsam begann es, sich freizukämpfen. »O Jesus!« flehte der Junge. »Laß es mir nicht entwischen! Ich brauche es!«
Doch das Gewicht und die Kraft des Kalbes waren zu groß, und von einem Aufstöhnen der Zuschauer begleitet, fühlte Timmy,
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