Colorado Saga
bedeuten, das brauche ich dir nicht zu sagen«, meinte Mr. Bellamy, während er zusammen mit Timmy den Stier striegelte. »Die großen Restaurants in Denver schätzen diese Art Werbung. Sie kaufen die Preisstiere und zahlen über hundert Dollar für sie. So kommen ihre Namen in die Zeitung... und die Viehzüchter essen bei ihnen, denn sie wissen, daß man ihnen erstklassige Steaks vorsetzen wird.« Tim Grebe konnte noch besser als Mr. Bellamy abschätzen, was das Preisgeld für seine Familie bedeuten würde. Noch nie war ein Jahr so schlecht gewesen wie dieses. Die ganze Welt war verrückt geworden, dachte Timmy und hörte verzweifelt zu, wenn seine Eltern sich zusammensetzten, um über die Zukunft zu beratschlagen.
Für seinen Vater empfand er die tiefe Scham eines Sohnes, der zusehen muß, wie ein Mann, den er liebt, einfach nichts Rechtes zuwege bringt. »Die Banken leihen uns bestimmt kein Geld«, sagte Earl. »Nicht nach dieser Auktion.« Sie waren Calendar, einem Mann, den sie kaum kannten, dankbar, daß er ihnen eine zweite Chance geboten hatte. »Aber wir haben immer noch kein Geld, um den Boden zu bestellen«, erklärte Grebe seiner Familie. »Was in aller Welt können wir bloß tun?«
Für seine Mutter empfand Timmy nur brennendes Mitleid. Es brach ihm das Herz, wenn er sie so hart arbeiten sah, wenn er sich ihrer hageren Gestalt und des Fehlens jeden Frohsinns in ihren tiefliegenden Augen bewußt wurde. O lieber Gott, betete er jeden Abend, laß mich gewinnen, damit ich ihr das Geld geben kann.
Einmal, es war gegen zwei Uhr früh, verließ er sein Bett und ging zu seiner Mutter hinüber. Er legte sich für eine Weile zu ihr und erzählte ihr, was er für sie tun wollte. Er spürte, wie sie zitterte, und kroch verwirrt in sein eigenes Bett zurück, denn sie hatte nicht ein einziges Wort zu ihm gesprochen.
In der Woche vor der Viehausstellung ging er nicht zur Schule und blieb zu Hause. Er polierte die Hufe seines Stiers, striegelte ihn und stutzte ihm das Haar. Am letzten Nachmittag schlang Timmy die Arme um seinen Hals und flüsterte ihm zu: »Ich habe ja voriges Jahr nicht viel ausgerichtet, aber Angst habe ich keine gehabt. Du hast doch keine Angst, nicht wahr?« Rodeo kaute friedlich weiter, aber seine großen Augen ließen erkennen, daß er noch nie vor etwas Angst gehabt hatte.
Mr. Bellamy fand einen Farmer, der sich bereit erklärte, Rodeo in seinem Viehtransporter nach Denver zu fahren, und Timmy sagte, er würde im Inneren des Wagens mit dem Stier zusammen fahren, um sicher zu sein, daß Rodeo nicht an den Wänden anstieß. Er lief nach Hause, um Decken zu holen, mit welchen er das Innere des Wagens auspolstern wollte. Als er daheim ankam, fand er seine Mutter in der Küche, wo sie im Tischbesteck herumkramte. Er hatte gerade noch Zeit, ihr zuzurufen: »Ich fühle es, Mutter, ich werde gewinnen.« Ihr Gesicht, als sie ihm antwortete, war so ausdruckslos, wie er es noch nie gesehen hatte. »Mit dem Gewinnen ist es bei uns vorbei«, sagte sie. Er wollte mit ihr reden, aber der Viehtransporter wartete schon.
Es war eine aufregende Fahrt an diesem kalten Januartag. Rodeo trat von einem Huf auf den anderen, um sein Gleichgewicht zu behalten, während Timmy auf die Decken aufpaßte, um sicherzugehen, daß sein Stier sich nicht verletzte. Der Fahrer blieb bei einem kleinen Gasthof in Brighton stehen und lud Timmy auf ein Coke ein. Als sie hineingingen, verkündete der Mann den anderen Viehzüchtern, die dort saßen: »Ich fahre den Champion nach Denver, jawohl, den Champion.«
»Bist du nicht der Junge, der voriges Jahr das Kalb geschenkt bekommen hat?« fragte einer der Männer, und zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr Timmy die seltene Freude, daß man sich einer Leistung erinnerte, die er vollbracht hatte. Er nickte stumm.
»Ich möchte gern sehen, was du aus diesem Kalb gemacht hast«, sagte der Mann, und Timmy führte sie alle zu dem Viehtransporter, wo sie Rodeo prüfend musterten. »Könnte schon sein, daß du den Champion im Wagen hast«, meinte ein anderer, und Timmy kletterte zufrieden wieder zu seinem Hereford hinein. Am nächsten Tag trat das Preisgericht um zehn Uhr vormittags zusammen, aber Timmy war schon um fünf im Stall bei Rodeo. Er gab dem großen Stier ein Bad, seifte ihm das Fell ein und spülte das Seifenwasser fort. Er trocknete ihn mit Handtüchern ab und verbrachte eine Stunde damit, ihn abzureiben und zu kämmen.
Er hatte Wachs für die Hufe und eine kleine Schere, um
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