Colorado Saga
Gesellschaftsformen hatten und daß es ihnen auf eine sonderbare Weise gelang, ein glückliches Verhältnis zur Natur zu finden, wie es die Anglos nicht kannten. Nicht viele Männer in dieser Gegend waren so charakterfest wie Triunfador Marquez, und nicht viele junge Frauen vibrierten in so lebensvoller Glut wie seine Schwester Soledad. Diese stillen Menschen, die sich in düstere Winkel verkrochen und in elenden Löchern hausten, richteten sich eine Welt ein, die ihnen Würde und eine Art Muße gab. An Orten wie Denver, Santa Fe, San Antonio oder Centennial entwickelten sie eine von Gelassenheit bestimmte Lebensweise, zu der sie keiner fremden Hilfe bedurften, und schufen Werte des Friedens und der Freude, die die Anglos in kommenden Jahren vergeblich suchen würden.
Eine herrliche Symbiose englischer und spanischer Kultur hätte in diesen Jahrzehnten zustande kommen können, wäre sie gefördert, wäre ihr Gedeihen wenigstens geduldet worden, aber es gab fast keinen Anglo, der diese Möglichkeit auch nur ins Auge gefaßt haben würde, und so lebten die beiden Rassen voneinander getrennt, in zunehmendem Maße von Mißtrauen vergiftet, dahin.
Von den weißen Katholiken immer noch abgelehnt, war es unvermeidlich, daß die Mexikaner sich exotischen kultischen Bräuchen zuwandten. Nie sollte Henry Garrett den winterlichen Sonntagnachmittag vergessen, als die »Kinder Gottes in den Bergen« die aufrechten Bürger von Centennial herausforderten, indem sie mit einer Blaskapelle auf einem öffentlichen Platz erschienen, um dort ihren Gottesdienst abzuhalten.
Soledad Marquez trug ein langes Kleid, das mit billigen roten Rosen aus einem Kramladen geschmückt war. Sie bot, so dachte Henry, einen entzückenden Anblick. Sie marschierte Arm in Arm mit zwei anderen Mädchen, die fast ebenso hübsch waren wie sie. Männer und Frauen in Dreierreihen folgten ihnen, und während sie in einem großen Kreis um den Platz herumzogen, spielte die Kapelle, und sie sangen die Hymne, die ihren Hoffnungen am besten Ausdruck verlieh: »Con Cristo en el mundo otra vez.«
Die Hymne hatte einen kraftvollen, mitreißenden Rhythmus und viele Strophen, und sie alle schilderten das Leben in einer neuen Welt, wenn Christus wieder auf Erden wandeln würde:
»Wenn Christus wieder auf Erden erscheint, gibt's keine Telefonanrufe in der Nacht, >Schickt Gomez fort und aus dem Land, damit ich ihn um seinen Lohn prellen kann.<«
Die Anglos, die um den Platz herumstanden, verstanden glücklicherweise die Worte nicht, schickten aber trotzdem nach dem Sheriff. Der sah sich die Sache nur gerade so lange an, bis jeder vernünftige Mensch überzeugt sein mußte, daß es Ärger geben mußte, wenn man diese Mexikaner so weitermachen ließ.
»Also bitte, also bitte!« wiederholte er in freundlichem Ton, während er langsam den Zug entlangging und die Leute zur Seite zog. »In dieser Stadt halten wir Gottesdienst nicht auf der Straße ab. Dazu haben wir Kirchen.«
Er wollte keinen Verdruß, und schon gar nicht an einem Sonntag, und er tat auch nichts, um einen heraufzubeschwören. Er zog und zerrte nur an den
Marschierern und brachte sie aus dem Konzept, während drei Polizisten die Blaskapelle auf einen Lastwagen beförderten.
»Du da«, rief er und langte nach dem Mädchen, das rechts von Soledad ging. »Damit muß Schluß sein.«
Er zerrte das Mädchen weg, und nun stand Soledad allein Henry Garrett gegenüber und sang im Rhythmus der Hymne:
»Wenn Jesus wieder auf Erden wandelt,
O, wird dann alles anders sein!«
Er sah sie nie wieder. Noch in derselben Nacht verfrachtete ihr Bruder sie in einen Wagen, und sie mußte Colorado verlassen.
Als Garrett in die Cantina kam, um nach ihr zu sehen, erklärte ihm Triunfador ohne Umschweife: »Kommen Sie lieber nicht mehr hierher, Mr. Garrett. Das ist ein mexikanisches Lokal.«
»Wo ist Soledad?«
»Sie haben sie gezwungen fortzugehen.«
»Wo ist sie?«
»Mr. Garrett, gehen Sie nach Hause zu Ihrer Frau. Sie ist verrückt. Aber sie ist eine Anglo.«
»Ich liebe Ihre Schwester.«
»Aber nun ist sie fort. Und was können wir beide dagegen tun?«
Der Januar 1936 war eine aufregende Zeit für Timmy Grebe. Sein Stier Rodeo war rund und voll geworden, und sowohl er als auch Mr. Bellamy, der ihm bei der Aufzucht geholfen hatte, hielten es nicht für ausgeschlossen, daß der schöne große Hereford-Stier bei der Viehausstellung in Denver den ersten Preis gewinnen könnte.
»Es würde deinen Eltern sehr viel
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