Colorado Saga
Regen würde wiederkommen. Die Grebeschen Felder zum Beispiel würden wieder dreißig Scheffel pro Morgen tragen. Vielleicht nicht 1937, aber ganz gewiß
1938. Darum kratzte er alles Geld zu einer letzten großen Spekulation zusammen. Dann wollte er aufhören und nach Florida übersiedeln, wie es andere reiche Leute in Colorado taten.
Er besaß jetzt an die sechzigtausend Morgen, den Großteil von seinem Vater ererbt, und wenn jetzt zwei Regenjahre hintereinander kamen, würde er so viel Weizen säen, daß die Leute vor Staunen den Mund nicht mehr zubrächten. Er dachte nicht an dreihundert Morgen. Er dachte an dreißigtausend in diesem und dreißigtausend im nächsten Jahr, und alles auf Feldern, die brachgelegen waren.
Diese Strategie beruhte auf Fakten und intuitivem Denken. Es war ein Faktum, daß auch starke Winde gesteuert werden konnten. Es war ein Faktum, daß Hagel nur einmal in fünf Jahren fiel. Es war ein Faktum, daß der Regen wiederkommen mußte. Aber seine Brillanz lag in der Sicherheit, mit der er voraussetzte, daß die Welt binnen kurzem Weizen, riesige Mengen Weizen brauchen und daß der Preis auf zwei Dollar den Scheffel steigen würde. Du kannst es dir an den Fingern abzählen, rechnete er mit sich. Wenn ich dreißigtausend Morgen riskiere und dreißig Scheffel pro Morgen ernte, sind das neunhunderttausend Scheffel Weizen. Und wenn eine große Sache kommt und den Weizenpreis auf zwei Dollar hinauftreibt, sind das fast zwei Millionen Dollar.
Was war die »große Sache«, auf die er hoffte? Er machte keine genauen Angaben, aber mit einem Adolf Hitler, einem Benito Mussolini, einem Josef Stalin und diesem Idioten Roosevelt an der Macht mußte ja einfach etwas passieren. Er konnte nicht ahnen, was das sein würde. Doch er wußte, daß die Menschen in jeder Krise Weizen brauchten - und er würde in der Lage sein, ihn zu liefern.
Im Herbst 1937 säte er eine unglaubliche Menge Weizen, achtete aber darauf, seine Felder zu streuen und einen Pflüger nie mehr als einmal zu beschäftigen. Man sollte nicht erfahren, welch großes Risiko er einging, denn er wußte nur zu gut, daß die Bankiers und ihre Geschäftspartner einem Mann, der sich übernommen hatte, eines auf den Deckel zu geben pflegten. Kaum war die Saat in die Erde gebracht, begann er zu beten.
»Wenn Gott uns nur fünfzig Zentimeter Schnee schickt«, sagte er zu seiner Frau, »schaffen wir es.« Er studierte die Wetterberichte, folgte jeder aufziehenden Wolke mit den Blicken - und kam in den ersten Apriltagen zu dem Schluß, daß seine Spekulation nicht aufgegangen war. Die Niederschlagsmenge war unter dem Durchschnitt geblieben, und er würde kaum mehr als neun Scheffel pro Morgen ernten. Trotzdem war er nicht entmutigt, denn der Weizenpreis stieg auf erfreuliche einundneunzig Cent. »Wir haben nicht so schlecht abgeschnitten«, sagte er nach der Frühjahrsernte zu seiner Frau. »Wir haben nicht viel verdient, aber wenigstens haben wir nichts verloren.« Da sie beide unter starkem Druck gestanden waren, fühlte sie sich erleichtert und nahm an, daß er das Glück nicht noch einmal versuchen und das Spiel aufgeben würde. Weit gefehlt.
Im Herbst 1938 säte er nicht dreißigtausend, sondern vierzigtausend Morgen. Er wußte, daß er bankrott gehen würde, wenn die Feuchtigkeit ausblieb, und wieder betete er um Schnee. Er freute sich über das kleinste Gestöber, und als ein richtiger Blizzard drei Stunden lang über die Stadt hinwegfegte, lief er in den Schnee hinaus und lachte, als ihm die nassen Flocken ins Gesicht klatschten.
Er benahm sich fast wie ein Wahnsinniger. In der Hoffnung, Regen oder Schnee herbeizwingen zu können, stellte er die verrücktesten Dinge an. In dem Glauben, der Rauch würde die Bildung von Wolken begünstigen, verbrannte er Autoreifen und ließ ein Flugzeug aus großer Höhe Sand streuen. Die Ironie des Schicksals wollte es, daß noch vor Ende der Vegetationszeit tatsächlich vierzig Zentimeter Regen fielen.
Dem Zusammenbruch nahe, fiel er eines Tages im März auf den Diwan des Salons in seinem Haus in Centennial. »Ich könnte das nicht noch einmal aushalten«, gestand er seiner Frau. »Ich hatte Schwindelanfälle. Ich bin ein lebender Leichnam.«
»Du hast mir versprochen, daß dieses das letzte Jahr sein wird.«
»Du brauchst mich nicht daran zu erinnern«, sagte er. »Das mache ich nicht noch einmal durch.«
Und sobald die Ernte eingebracht und mit bescheidenem Gewinn verkauft war, ging er daran, seinen
Weitere Kostenlose Bücher