Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
ist er auf ihn losgegangen – was ihn fast das Leben gekostet hätte. Wenn der Schuss, den der Einbrecher auf ihn abgefeuert hat, nicht danebengegangen wäre …
Alexander geht hin und will das Messer herausziehen, doch Sarah hält ihn davon ab.
»Nicht. Vielleicht sind da Fingerabdrücke drauf.« Sie tritt näher an das Bild heran und begutachtet den Riss. Er ist nicht sehr lang, aber auch von hier kann ich erkennen, dass das Bild beschädigt ist. Und als ich den Earl ansehe, habe ich fast den Eindruck, dass die Klinge in sein Herz getroffen hat und nicht in den Leinwandstoff.
Auch Jonathan starrt jetzt wieder auf den Riss, als wäre es etwas, das man ihm zugefügt hat, und mir wird noch einmal klar, wie wichtig Lady Orla für die beiden ist. Sie ist nicht mehr da, aber sie verfolgt Vater und Sohn, lässt sie keinen Frieden finden, weder mit sich, noch miteinander.
Nur Sarah sieht es pragmatisch. »Das lässt sich sicher reparieren«, sagt sie und hebt den Kopf, als man in der Ferne Sirenen hört. Sie stößt ein Seufzen aus. »Rettung naht.«
»Aber was wird mit den Gästen …« Der Earl ist immer noch hilflos und überfordert, er lässt sich schwer auf den Schreibtischstuhl sinken.
»Darum kümmern wir uns schon«, erklärt Sarah resolut und meint damit auch Alexander und Mrs Hastings, die beide nicken. »Aber erst mal sorgen wir dafür, dass hier alles in Ordnung kommt.«
Nur wenige Minuten später sind Krankenwagen und Polizei da, und danach geht alles sehr schnell. Die Polizisten kümmern sich um die Sicherung der Einbruchsspuren und befragen uns kurz zum Hergang, während der Notarzt Jonathan genau untersucht und die Wunde versorgt. Er diagnostiziert eine Prellung mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung und möchte ihn eigentlich gerne zur Beobachtung mitnehmen, aber davon will Jonathan nichts wissen.
»Ich bleibe hier«, erklärt er entschieden, und dem Arzt bleibt gar nichts anderes übrig, als nachzugeben. Doch er nimmt mich beiseite und sieht mich ernst an.
»Er muss sich hinlegen, und Sie müssen dafür sorgen, dass er Ruhe hält«, weist er mich an. »Und sollte er wieder das Bewusstsein verlieren oder sich übergeben, muss er definitiv in die Klinik.«
Ich verspreche, darauf zu achten. »Können wir ihn nach oben bringen?«, bitte ich ihn, weil ich möchte, dass Jonathan endlich raus ist aus diesem Trubel.
Der Arzt nickt und bedeutet den zwei Sanitätern, die mitgekommen sind, Jonathan aufzuhelfen. Er stützt sich schwer auf sie, und wir nehmen die Dienstbotentreppe in den ersten Stock, die Mrs Hastings uns zeigt, weil sie nicht möchte, dass Jonathan am Ballsaal vorbei muss, wo, wie sie mir berichtet, immer noch große Aufregung wegen des Vorfalls herrscht.
»Es ist das einzige Gesprächsthema«, sagt sie, »und wir müssen den Leuten ja nicht noch mehr Stoff zum Tratschen liefern.«
Ich bin ihr dankbar, aber vor allem bin ich dankbar, als wir endlich bei den Zimmern ankommen. Spontan führe ich die Männer in mein Zimmer und nicht in Jonathans, und die Sanitäter helfen ihm, sich auf das Bett zu setzen, bevor sie sich verabschieden. Der Arzt bleibt noch und drückt mir ein Schmerzmittel in die Hand.
»Für den Notfall, falls ihm der Kopf sehr wehtut«, erklärt er mir. »Ich habe ihm außerdem ein leichtes Beruhigungsmittel gespritzt, damit er besser schlafen kann. Er muss sich ausruhen. Wenn er das tut und bis Morgen keine Komplikationen auftreten, dann ist eine Gehirnerschütterung mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen und dann hat er, denke ich, das Gröbste überstanden. Aber von dem Schlag wird ihm noch eine Weile der Schädel brummen, das ist nicht zu ändern.«
Ich bedanke mich bei dem Arzt und schließe die Tür hinter ihm.
Jonathan hat sich nach hinten auf das Bett fallen lassen und die Augen wieder geschlossen. Wahrscheinlich wirkt das Beruhigungsmittel schon.
»Hey.« Ich helfe ihm sanft wieder hoch. »Ich muss dich noch ausziehen«, sage ich und mache mich gleich ans Werk, gebe mir Mühe, so vorsichtig, aber auch so schnell wie möglich zu sein, damit er sich endlich richtig hinlegen kann.
Die Schuhe sind kein Problem, aber den Frack verfluche ich nach kurzer Zeit, weil er so viele Einzelteile hat: die Fliege, die sich mir widersetzt, die gestärkte Weste, die jetzt voller Blutflecke ist, und das Hemd, mit dessen Knöpfen ich kämpfe. Aber dann habe ich es geschafft und ihn bis auf die Unterhose ausgezogen. Eigentlich will ich ihm noch ein T-Shirt aus seinem
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