Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
und stehe vom Bett auf, um mich auszuziehen. Das Kleid, das jetzt an der Hüfte und am Saum dunkle Blutflecken hat, hänge ich an den Schrank, dann ziehe ich mir mein Nachthemd an, wasche mich schnell in dem kleinen Bad und putze mir die Zähne.
Als ich wieder im Zimmer bin, schlüpfe ich ins Bett, weil ich bei Jonathan sein will. Die Nachttischlampe brennt noch, und ich lasse sie an, betrachte sein Gesicht im Schlaf, küsse ihn zärtlich.
Er scheint meine Nähe zu spüren, denn er greift nach mir und zieht mich an sich und seufzt dann zufrieden, als ich ganz dicht bei ihm liege. Hilflose Liebe überkommt mich und ich küsse sein Schlüsselbein und seinen Hals, weil es die Stellen sind, die ich erreichen kann, ohne die Umarmung zu lösen. Dann schmiege ich meine Wange an seine Brust und lausche seinem Herzschlag.
Es schmerzt mich, dass er nur, wenn er ganz fest schläft, so schutzlos ist, dass er loslassen kann und meine Nähe nicht wie sonst nur zulässt, sondern sie aktiv sucht. Doch es zeigt zumindest, dass er sich tief in seinem Innern genauso danach sehnt wie jeder andere auch.
Ich kann nicht ungeschehen machen, was er erlebt hat, und vielleicht ist zu viel in ihm kaputt gegangen und er kann nie wieder aus vollem Herzen lieben. Aber vielleicht reicht meine Liebe ja auch für uns beide, denke ich. Vielleicht schaffe ich es doch, ihn zu erreichen und ihn dazu zu bringen, seinen Gefühlen wieder zu vertrauen – mir zu vertrauen und sich auf mich einzulassen, mit allen Konsequenzen.
Mit diesem Gedanken schlafe ich in seinen Armen ein.
19
Als ich am nächsten Morgen aufwache, scheint die Sonne hell ins Zimmer, es muss schon Vormittag sein. Tatsächlich sagt meine Handy-Uhr, dass es fast zehn ist! Wir haben sehr lange geschlafen und niemand hat uns geweckt, und als mir der Grund dafür wieder einfällt, richte ich mich besorgt auf und betrachte Jonathan, der auf der Seite neben mir liegt.
Er sieht ein bisschen blass aus, und die Stelle an seiner Stirn, über der der Verband klebt, ist geschwollen, aber er atmet ruhig, was mich sehr erleichtert. Sein Arm liegt über meiner Hüfte und hält mich fest. So war es die ganze Nacht über – immer, wenn ich aufgewacht bin, war er dicht bei mir und hat mich berührt, teilweise im Arm gehalten, fast so, als würde er den Körperkontakt brauchen.
Lächelnd beuge ich mich vor und küsse ihn, weil ich so dankbar bin, dass ihm gestern nichts Schlimmeres passiert ist. Das hätte auch anders ausgehen können, denke ich mit neuem Schrecken, und die Angst kehrt noch einmal kurz zurück, greift eisig nach mir. Doch dann schiebe ich sie resolut zur Seite. Jonathan lebt, alles andere ist unwichtig.
Er wacht von meinen Küssen auf und sieht mich an, und für einen kurzen Moment leuchten seine blauen Augen auf, senken sich in meine.
»Grace.« Seine Stimme ist belegt, und er wirkt noch ein bisschen benommen.
»Guten Morgen«, sage ich und lasse mich wieder in die Kissen sinken, schaue ihn weiter an. »Wie geht es deinem Kopf?«
Als ich es ausspreche, scheinen ihm die Ereignisse von gestern Abend wieder einzufallen, und er greift sich an die Stirn, zuckt zusammen, als seine Finger das Pflaster berühren. Der Ausdruck in seinen Augen wechselt, bewölkt sich wieder.
»Es geht so«, sagt er. »Aber ich hatte es mir schlimmer vorgestellt.«
Sein Blick fällt auf mein Kleid, das noch am Schrank hängt, und die Blutflecken darauf.
»Jetzt ist es doch ruiniert«, sagt er mit einem schwachen Lächeln. »Dabei haben wir uns solche Mühe gegeben, es zu schonen.«
Ich lächle ebenfalls bei der Erinnerung an unseren heißen Sex in der Bibliothek, aber die Bilder dessen, was danach passiert ist, folgen sofort, und ich werde wieder ernst.
»Das war verdammt leichtsinnig von dir«, wiederhole ich das, was ich ihm gestern schon vorgeworfen habe, als er schlief, denn ich finde, das muss er hören. »Der Mann hätte dich töten können.«
»Oder dich«, sagt er. »Wieso bist du nicht in der Bibliothek geblieben, so wie ich es dir gesagt hatte?«
»Ich konnte nicht. Ich musste zu dir«, erkläre ich ihm und küsse ihn erneut, fühle, wie er die Arme um mich schließt. Und als ich ihm einen Augenblick später wieder in die Augen schaue, glaube ich dort etwas zu erkennen, was mein Herz aufgeregt schlagen lässt.
Es ist, als wäre die Mauer, die er sonst um sich gezogen hat, gerade nicht mehr so undurchdringlich wie sonst. Als könnte ich an ihr vorbei tiefer in seine Seele sehen.
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