Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
wie du immer glaubst, Grace. So übel, wie ich dachte, ist er nicht, als Mann meine ich – als Chef ist er ja eh ziemlich okay«, sagt sie und an ihrem Lächeln sehe ich, dass sie wieder an ihre Begegnung mit ihm bei uns in der WG denkt, bei der er seinen Charme voll hat spielen lassen. Dann wird sie wieder ernst. »Ich bin nur grundsätzlich auf deiner Seite und ich will, dass du glücklich bist. Deshalb war ich anfangs so skeptisch. Jonathan Huntington hat ja nicht unbedingt den Ruf, dass er Frauen in diesen Zustand versetzt«, erklärt sie mir, und ich habe sofort ein schlechtes Gewissen.
Claire fällt mir wieder ein, die Frau, die vor mir in meinem WG-Zimmer gewohnt hat. Sie hat in der Presseabteilung von Huntington Ventures gearbeitet und war schwer in Jonathan verliebt, der sie jedoch recht brutal hat abblitzen lassen – und das alles hat Annie hautnah mitbekommen. Kein Wunder also, dass sie die ganze Zeit befürchtet, dass mir das auch noch passiert.
»Ich weiß«, sage ich und leiste innerlich Abbitte, weil ich die Freundschaft, die sie mir entgegenbringt, oft gar nicht genug schätze. »Aber er ist …«
»… ziemlich unwiderstehlich, schon klar«, unterbricht sie mich und winkt ab. »Ich gebe mir ja auch Mühe, bei ihm nicht immer gleich vom Schlimmsten auszugehen. Aber bis gerade eben dachte ich wirklich, dass er endgültig wieder auf alten Pfaden unterwegs ist.«
Verwundert sehe ich sie an, weil sie plötzlich wieder nachdenklich klingt, so als sei sie sich doch nicht mehr sicher, wie viel Potential Jonathan als Frauen-Glücklich-Macher hat. »Was meinst du?«
Sie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. »Ich habe eben Yuuto Nagako unten im Foyer getroffen – auf dem Weg in die Chefetage. Der Kerl war doch seit Wochen nicht mehr da, oder? Aber wenn du sagst, dass du dich mit Jonathan wieder vertragen hast, dann hat sein Besuch sicher rein berufliche Gründe.«
Ich starre sie an. »Yuuto ist hier?«
Jonathan hat mich gestern Abend überredet, doch noch mit ihm nach Knightsbridge zu fahren, wo wir uns ein weiteres Mal geliebt haben, und als wir heute Morgen aufgestanden sind, wirkte er gelöst und entspannt. Dass er heute den Japaner erwartet, hat er mit keinem Wort erwähnt, und ich schlucke beklommen.
Meine Überraschung lässt Annie noch ein bisschen ernster werden. »Jonathan geht doch nicht mehr in diesen Club, oder?«
»Nein.«
»Dann muss es eigentlich ein gutes Zeichen sein«, sagt sie und lächelt mich aufmunternd an. »Für die Firma, meine ich. Es hieß doch, Nagako Enterprises hätte die Geschäftsbeziehungen zu Huntington Ventures abgebrochen und dass das negative Auswirkungen auf die Asien-Expansion hat. Wenn dieser Yuuto jetzt wieder hier ist, hat sich an dieser schlechten Stimmung ja vielleicht was geändert.« Fragend sieht sie mich an, aber ich habe keine Antwort darauf.
»Ja, kann sein. Ich werde Jonathan auf jeden Fall fragen.« Ich schiebe demonstrativ ein paar Papiere auf meinem Schreibtisch hin und her, und Annie versteht den Wink und steht auf, greift nach ihrem Teebecher.
»Dann mache ich mich wieder auf den Weg. Heute Abend sehen wir uns vermutlich eher nicht, oder?« Sie grinst, und ich tue das auch, obwohl mir überhaupt nicht danach zumute ist. »Ich drück dir die Daumen, dass alles wieder gut wird mit euch beiden«, sagt sie noch, bevor sie geht und die Tür wieder hinter sich schließt.
Sofort springe ich auf und trete an das raumhohe Fenster, damit niemand, der jetzt zufällig an meinem Büro vorbeikommt und durch die Glastür guckt, sehen kann, wie aufgewühlt ich bin.
Annies Deutung wäre natürlich eine mögliche Erklärung für Yuutos Anwesenheit, aber so richtig kann ich nicht glauben, dass er die Geschäftsbeziehungen zu Huntington Ventures einfach so wieder aufnehmen wird. Nicht ohne Bedingungen.
Ist das ein neuer Versuch von ihm, mich von Jonathans Seite zu vertreiben und ihn für das Leben zurückzugewinnen, dass er vorher geführt hat? Für den Club und Sex ohne lästige Emotionen?
Und Gelegenheit hätte er ja bald, denn Ende nächster Woche muss ich erst mal zurück nach Chicago. Der Gedanke, dann eine Weile keinen Einfluss mehr darauf zu haben, was Jonathan tut oder nicht tut, macht mich plötzlich richtig fertig, und ich habe das dringende Bedürfnis, bei ihm zu sein und nachzusehen, was da los ist. Aber bevor ich irgendetwas tun kann, klingelt mein Handy.
Die Nummer kenne ich nicht, und zuerst will ich nicht drangehen, weil ich so beschäftigt
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