Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
bin mit dem Japaner und Jonathan. Aber dann sage ich mir, dass es wichtig sein könnte, und nehme den Anruf entgegen. Zum Glück. Denn es ist der Earl of Lockwood, der mich sprechen will. Und er kommt ohne Umschweife zum Punkt.
»Miss Lawson, hätten Sie Zeit, sich mit mir zu treffen?«, fragt er. »Es gibt da eine Angelegenheit, über die ich dringend mit Ihnen reden müsste.«
»Gern«, versichere ich ihm und will ihm gerade erklären, dass ich nach der Arbeit Zeit hätte. Doch er kommt mir zuvor.
»Gleich, wenn es geht?« Erst jetzt höre ich das leise Zittern in seiner Stimme, das darauf schließen lässt, dass er sehr aufgeregt ist. »Die Sache drängt.«
22
»Schön, dass Sie so schnell Zeit für mich hatten«, sagt der Earl, als wir uns eine Stunde später – ich habe meine Mittagspause mit Indiras Erlaubnis kurzerhand vorgezogen – vor dem Globe treffen. Die Bar, in die ich sonst nur mit Jason Leibowitz gehe, war der erste Treffpunkt, der mir eingefallen ist, und er war sofort einverstanden. Offenbar ist die Angelegenheit, von der er gesprochen hat, so wichtig, dass ihm die Umgebung, in der er mir davon berichtet, ziemlich egal ist.
Und eigentlich passt er sogar ganz gut hier rein, denke ich, während er am Tisch steht und darauf wartet, dass ich mich setze – ganz alte Schule. Denn Jonathans Vater ist genauso traditionell und leicht angestaubt wie das Ambiente dieser Bar, die ich schätzen gelernt habe und inzwischen sehr gemütlich finde. Und da es heute Bindfäden regnet, verpassen wir auch draußen keinen Sonnenschein.
»Was möchten Sie trinken?«, erkundigt sich der Earl und geht dann an der Bar zwei Wasser und einen Whisky für sich holen, den er offenbar zur Stärkung braucht. Er ist heute wieder so gekleidet, wie ich ihn auch bei unserer ersten Begegnung erlebt habe: mit Tweedjackett und camelfarbener Hose zu rotem Pullunder über einem karierten Hemd. Aber er sieht viel schlechter aus als damals, wirkt nervös und fahrig. Was immer ihm Sorgen macht, drückt ihn sehr, und er kommt auch gleich zur Sache, als wir uns schließlich gegenübersitzen.
»Es tut mir leid, dass ich Sie in dieser Angelegenheit behelligen muss, Miss Lawson …«
»Nennen Sie mich Grace«, unterbreche ich ihn spontan, nur um mich gleich wieder zu fragen, ob man einem Earl einfach so anbieten darf, einen beim Vornamen zu nennen. Aber es fühlt sich so steif an, wenn er mich »Miss Lawson« nennt. Schließlich bin ich mit seinem Sohn zusammen, und ich fühle mich ihm auch irgendwie nah, vielleicht weil ich so viel von ihm in Jonathan erkenne.
»Grace.« Er scheint es okay zu finden, denn er lächelt, allerdings nur ganz kurz. Dann erobert der sorgenvolle Ausdruck sein Gesicht zurück. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
Ich warte, obwohl er länger schweigt, weil ich sehen kann, dass er nach den richtigen Worten sucht. Es fällt ihm sichtlich schwer zu gestehen, was ihn so umtreibt, aber dann räuspert er sich und nimmt die Schultern zurück, setzt sich auf diese gerade Weise hin, die so typisch für ihn ist.
»Ich brauche Ihre Hilfe, um Jonathan zu überreden, mir zu helfen. Wenn er das nicht tut, verliere ich Lockwood Manor«, sagt er, und seiner Stimme ist – trotz aller Bemühungen, Haltung zu bewahren – deutlich anzuhören, wie sehr ihn diese Aussicht mitnimmt.
»Aber … wieso?«, frage ich, obwohl ich es mir denken kann. Dann waren meine Vermutungen, was den leeren Stall und die entlassenen Angestellten angeht, anscheinend richtig. Trotzdem formuliere ich es lieber vorsichtig. »Haben Sie Geldsorgen?«
Der Earl nickt, offenbar froh, dass es raus ist. Er räuspert sich.
»Ich habe Schulden. Schon seit vielen Jahren. Das, was ich Ihnen und meinen Kindern erzählt habe, nachdem die Polizei die Diebesbeute aus dem Einbruch wieder zurückgebracht hatte, war nicht die ganze Wahrheit. Ich habe Orlas Schmuck verkaufen müssen, um die Stiftung zu retten, das stimmt. Aber ich musste mich damals auch noch von vielen anderen Dingen trennen – Dingen, an die Jonathan sich zum Glück nicht so gut erinnern kann wie an den Schmuck –, um die finanziellen Schwierigkeiten abzufangen, in die ich geraten bin, weil ich so lange nicht in der Lage war, mich um das Gut und die Ländereien zu kümmern.« Der Earl seufzt tief. »Ich hatte die falschen Berater, die meine Schwäche ausgenutzt haben, und als ich das endlich begriff, war das Erbe meiner Eltern zusammengeschmolzen und ich stand kurz vor dem Ruin. Kaito Nagako hat mir
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