Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
äußerlich, warnt mich eine leise Stimme, die ich sofort wieder unterdrücke. Selbst wenn ich ihn attraktiv finde – ich suche bei Männern etwas ganz anderes. Verlässlichkeit. Ausgeglichenheit. All das, was mir in meinem Leben immer so schmerzlich gefehlt hat. Und in dieser Hinsicht ist der unberechenbare Matteo Bertani nicht mal annähernd qualifiziert.
Ich hole tief Luft.
»Okay«, lenke ich ein. »Wenn es unbedingt nötig ist, dann gehe ich heute Abend mit Ihnen aus.«
Aber ich werde auf der Hut sein. Irgendwelche Hintergedanken hat er nämlich, da bin ich ganz sicher, und ich lasse mich nicht von ihm manipulieren. Im Gegenteil. Vielleicht drehe ich den Spieß sogar um und finde mehr über ihn heraus. Das kann nicht schaden, schließlich torpediert er im Moment meine Arbeit auf eine nicht zu unterschätzende Weise.
»Es ist nötig«, erwidert er, und für einen kurzen Moment huscht Verwirrung über sein Gesicht – solch widerwillige Zusagen hört er vermutlich selten. Es ist aber sofort vorbei, denn als er sich erhebt, lächelt er schon wieder. »Dann machen wir uns jetzt wohl besser auf den Weg – schließlich haben wir heute Abend noch etwas vor.«
Er nimmt das Jackett von der Stuhllehne, das er dorthingehängt hatte, holt eine schicke, eindeutig von der Firma seiner Familie produzierte Ledertasche hinter dem Schreibtisch hervor und verstaut einige Papiere darin. Ich sehe ihm dabei zu und bin so vertieft in seinen Anblick, dass ich richtig erschrecke, als er plötzlich den Kopf hebt und seine Bernstein-Augen wieder auf mich richtet.
»Sind Sie mit dem Taxi gekommen?«
Ich nicke und erhebe mich, weil er schon auf dem Weg zur Tür ist. »Wieso?«
»Dann bringe ich Sie zu Ihrem Hotel«, sagt er, während er mir die Tür aufhält und sie hinter mir wieder abschließt. Es ist keine Frage, eher so etwas wie eine Anordnung, was schon wieder meinen Widerspruch weckt.
Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. »Aber Sie wissen doch gar nicht, wo ich hinmuss.«
Er schmunzelt, was sein Grübchen sehr schön zur Geltung bringt. »Wo müssen Sie denn hin?«
»Nach Monti«, erkläre ich ihm, während wir das kurze Stück den Gang hinuntergehen. Vor der Glastür, die ins Treppenhaus führt, bleibt er stehen und zieht sie schwungvoll auf.
»Sehen Sie, da wohne ich auch«, sagt er sehr zufrieden, während er mich hindurchgehen lässt. »Ist also nicht mal ein Umweg.«
Überrascht blicke ich über die Schulter zu ihm zurück. Ich hätte vermutet, dass er ebenfalls auf dem Aventin oder in einer anderen gehobenen Wohngegend Roms lebt, nicht ausgerechnet in einem Stadtteil, der lange Zeit als Arbeiterviertel galt und immer noch ziemlich beschaulich daherkommt. Aber vielleicht sollte ich mir abgewöhnen, irgendetwas über diesen Mann als gegeben anzunehmen, überlege ich auf dem Weg nach unten.
»Sie müssen mich trotzdem nicht bringen«, beharre ich. »Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«
Sein Lächeln verändert sich, erscheint auf einmal leicht resigniert. »Das macht keine Umstände. Wenn Sie dabei sind, komme ich hier vielleicht schneller weg, also tun Sie mir sogar einen Gefallen.«
Okay, denke ich, wie meint er das jetzt wieder? Ich vergesse aber, danach zu fragen, denn in diesem Moment erreichen wir das Erdgeschoss und ich erwarte eigentlich, dass uns wieder viele Leute beobachten. Doch tatsächlich ist der breite Flur leer. Das Klebeband-Netz ist natürlich noch da, die protestierenden Studenten jedoch nicht mehr, der Tisch, um den sie sich gerade noch geschart haben, steht jetzt verwaist an der Wand. Und auch sonst wartet hier niemand auf uns.
»Mein Kurs ist heute der letzte gewesen«, erklärt Matteo Bertani mir, als er meine Verwunderung sieht. »Danach leert es sich immer recht zügig.«
Er überwindet das Klebeband-Hindernis vor mir, bleibt stehen und hält mir die Hand hin, um mir hinüberzuhelfen.
Es ist nur eine höfliche Geste, mehr nicht, beruhige ich mich, als ich sie nach kurzem Zögern ergreife. Doch schon in der Sekunde, in der meine Hand in seiner liegt, weiß ich, dass es ein Fehler war. Sein Daumen streicht sanft über meine Finger, während ich über das Band steige, und diese Berührung durchzuckt mich, setzt sich fort bis in meinen Unterleib, was mir kurz den Atem nimmt.
Herrgott, Sophie, jetzt reiß dich zusammen, denke ich, und lasse seine Hand sofort wieder los, als ich ebenfalls auf der anderen Seite stehe, so als hätte ich mich verbrannt. Mein Herzschlag beruhigt sich trotzdem
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