Colours of Love
manchmal bewusst, manchmal unbewusst, um damit bestimmte Gefühle auszudrücken. Ich finde es …«
Sie beendet ihren Satz nicht, denn in diesem Moment klopft es und Alexander kommt wieder herein.
»Ich bin fertig und müsste jetzt wieder zurück ins Büro«, sagt er. »Soll ich dich mit zurücknehmen, Grace?«
Sarah und er sehen mich an, doch ich erkenne in ihren Blicken, dass sie beide nicht finden, dass das eine gute Idee wäre. Und ich kann ihnen da nur zustimmen, deshalb schüttele ich den Kopf.
»Nein. Wenn … das okay ist?« Unsicher sehe ich Alexander an. Er nickt, sichtlich erleichtert.
»Völlig okay«, sagt er und lächelt. »Du hast meine offizielle Erlaubnis, dir den Rest des Tages frei zu nehmen.«
Zum Abschied gibt er Sarah noch einen Kuss auf die Stirn und wünscht mir alles Gute, dann lässt er uns wieder allein.
Ich grinse. »Welche Farbe hat denn eigentlich dein Verhältnis zu Alexander?«, erkundige ich mich.
»Rot«, erklärt sie sofort und lacht. »Aber noch eher hellrot, leider. Ich weiß, dass er mich mag, aber er ist immer so nervig zurückhaltend. Deshalb muss ich an der neuen Abmischung noch arbeiten, wo ich jetzt wieder in London bin. Aber ich hoffe, dass bald ein deutlich intensiverer Farbton dabei herauskommt.«
Sie grinst, und Jonathans Beschreibung von ihr fällt mir wieder ein. Entschlossen scheint sie wirklich zu sein. Aber ich mag ihre direkte, zupackende Art.
»Was hast du jetzt vor?«, fragt Sarah, als es Zeit für mich wird zu gehen.
Unsicher zucke ich mit den Schultern. »Ich weiß nicht.« In die Firma kann ich definitiv nicht, und so furchtbar viele andere Alternativen habe ich nicht. »Ich schätze, ich fahre erst mal zurück nach Islington.«
Sarah zieht die Schublade ihres Nachttisches auf, holt ihr Portemonnaie heraus und reicht mir einige Zehn-Pfundnoten. »Dann nimm dir ein Taxi. Bitte«, fährt sie fort, als sie sieht, dass ich das Geld nicht nehmen will, »es trifft keine Arme, wirklich nicht.« Sie lächelt ein bisschen schief. »Und außerdem war ich es, die dich hergebeten hat, also möchte ich auch dafür sorgen, dass du heil wieder nach Hause kommst – oder wohin auch immer.« Ihre blauen Augen, die mich so an Jonathans erinnern, blicken mich ernst an. »Du denkst doch noch mal über das nach, was ich dir gesagt habe?«
Ich nicke. Da ich seit Tagen über nichts anderes mehr nachdenke als über Jonathan, dürfte mir das nicht schwerfallen.
»Viel Glück«, wünscht sie mir noch, als ich mich von ihr verabschiede.
Als ich im Taxi sitze, das mir die Empfangsdame der Klinik gerufen hat, und auf dem Weg zurück nach Islington bin, lasse ich diesen ganzen verwirrenden Vormittag noch einmal Revue passieren. Mir wird plötzlich klar, dass ich eine Entscheidung treffen muss. Niemand hat das zu mir gesagt, aber es steht trotzdem unausgesprochen im Raum. Denn so schwer es mir auch fällt, mir das einzugestehen – ich kann mein Praktikum jetzt nicht mehr so fortsetzen wie geplant, das ist unter diesen Umständen völlig unmöglich. Ich muss es entweder abbrechen und nach Hause fliegen – oder zu Jonathan zurückkehren und sehen, wie die Sache mit ihm weitergeht.
Wenn ich zurückfliege, habe ich vielleicht noch den Hauch einer Chance, dass meine Affäre mit ihm als Ausrutscher gesehen wird. Eine Dummheit, die mit meiner Jugend zu entschuldigen ist und über die mit der Zeit Gras wächst. Das sollte ich tun. Das wäre das einzig Vernünftige.
Aber die Vorstellung, wegzugehen und Jonathan nie mehr wiederzusehen, tut mir so weh, dass ich allein den Gedanken kaum aushalte. Und mir gehen Sarahs Worte nicht aus dem Kopf. Ist es so, wie sie sagt – bedeute ich ihm mehr, als er zugeben will?
Ich habe erlebt, wie liebevoll er sein kann, denn er ist es zu Sarah. Und er engagiert sich für die Menschen, mit denen er beruflich zu tun hat, ihm ist nicht alles egal, was das Projekt in Hackney eindrucksvoll zeigt. Wieso weist er dann Beziehungen so weit von sich? Warum darf ihm außer seiner Schwester und Alexander niemand nah kommen? Dafür muss es einen Grund geben, aber den verbirgt er offenbar selbst vor denen, die er liebt.
Wenn ich zu ihm zurückkehre, dann mache ich alles noch schlimmer für mich, das weiß ich. Denn ich habe keine Ahnung, was er dann tun wird oder wie lange er mich bei sich bleiben lässt und ob überhaupt. Selbst seine eigene Schwester kann mir nicht guten Gewissens raten, das zu tun. Alle warnen mich vor ihm, sogar er selbst hat das schon
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