Colours of Love
eigentlich warnen.«
Ich rolle mit den Augen. »Nicht du auch noch.«
Sie lacht, wird jedoch gleich wieder ernst. »Ich liebe Jon, er ist der beste Bruder, den man sich wünschen kann, liebevoll und aufmerksam und immer so besorgt um mich, dass es mich manchmal schon nervt. Und er steht eigentlich mit beiden Beinen im Leben, hat diese außergewöhnliche Firma geschaffen und so viel Erfolg damit.«
Ich nicke strahlend, denn damit beschreibt sie genau den Jonathan, in den ich mich sofort verliebt habe.
»Es könnte alles gut sein – wenn er beim Thema Beziehungen nicht immer so total abblocken würde.« Sie seufzt.
»Wieso ist er denn so?«, frage ich.
Sarah schüttelt den Kopf. »So richtig erklären kann ich es mir auch nicht. Eigentlich war er schon immer so, aber besonders schlimm ist es geworden, seit er mit Anfang zwanzig eine Weile in Japan war und dort diesen Yuuto kennengelernt hat. Manchmal glaube ich, dieser Japaner hat seine kühle, beherrschte Art auf Jonathan übertragen. Seitdem komme nicht mal mehr ich wirklich an ihn heran. Er will vom Thema Liebe einfach nichts wissen, und vom Heiraten und Kinderkriegen erst recht nicht – du hast ihn ja gestern erlebt.«
»Ja«, sage ich. »Er hasst euern Vater regelrecht.«
Wieder seufzt Sarah, diesmal noch tiefer. »Weil Jon ihm vorwirft, dass er am Tod unserer Mutter Schuld ist. Dabei war es ein Unfall«, erklärt sie mir. »Außerdem streiten die beiden schon seit einer Ewigkeit ständig über dieses Heiratsthema, und dann hat Dad damals auch noch Bedenken geäußert, als Jonathan seine Firma gründete. Was alles in allem dazu geführt hat, dass ihr Verhältnis nicht das Beste ist – um es mal nett auszudrücken.«
Sie sieht mich eindringlich an. »Ich habe manchmal richtig Angst, dass Jon diese emotionale Distanz, die er zu den meisten Menschen hat, vielleicht nie überwindet. Und deshalb kann ich dir auch nicht raten, dich auf ihn einzulassen. Er hat schon ziemlich viele Frauen sehr unglücklich gemacht.« Ein Lächeln spielt um ihre Lippen. »Aber so wie mit dir habe ich ihn noch nie erlebt. Ich glaube, dass du ihn wirklich erreichen kannst, Grace. Es könnte gut sein, dass du seine letzte Chance bist, die Kurve noch zu kriegen.«
Unglücklich sehe ich sie an. »Ich glaube nicht, dass er mich nach unserem Streit gestern noch mal wiedersehen will.«
Sarah grinst. »Er ist wütend auf dich, das stimmt. Aber als er heute Morgen hier war, konnte man auch merken, wie viel Sorgen er sich macht. Er hat extra den Sicherheitsdienst engagiert, damit die Fotografen-Meute dich nicht mit Haut und Haaren frisst, wenn du in der Firma ankommst.«
»Und wo ist er jetzt?«, frage ich.
»Da er heute nicht in die Firma fahren wollte, nehme ich an, dass er zu Hause ist.«
»Weiß er, dass ich hier bin?«
Sarah schüttelt den Kopf. »Ich wollte zuerst mit dir alleine sprechen.«
Eine Krankenschwester – eine andere als gestern – betritt das Zimmer und bringt ein Tablett mit Essen. Der Hauptgang ist mit einer silbernen Haube mit einem goldfarbenen Griff abgedeckt und der Nachtisch ist angerichtet wie in einem Sterne-Restaurant. Wow. Das wird ja immer besser, denke ich und beschließe, dass ich, sollte ich je krank werden, auch in dieser Klinik liegen möchte.
»Möchtest du was?«, fragt Sarah, doch ich schüttele den Kopf. Diese ganze Jonathan-Geschichte ist mir auf den Magen geschlagen und ich habe überhaupt keinen Hunger.
Während sie isst, unterhalten wir uns nicht mehr über Jonathan, sondern über ihre Zeit in Rom. Sie schwärmt mir von den Gemälden vor, die sie besonders schätzt, und outet sich als Fan von Michelangelo, Raffael und Sebastiano del Piombo.
»Jon hasst es, wenn ich über ihre Werke spreche. Er kann damit nichts anfangen«, erklärt sie mir lachend.
»Ja, ich weiß, das hat er mir auch schon gesagt.«
»Siehst du«, meint sie triumphierend, »er erzählt dir Dinge, die die meisten nie erfahren.«
»Worüber schreibst du eigentlich deine Doktorarbeit?«, erkundige ich mich, weil ich nicht mehr über Jonathan und mein Verhältnis zu ihm sprechen will.
Sie lächelt. »Über die Farben der Liebe.« Als ich sie verständnislos ansehe, kichert sie erfreut. »So hat mein Professor auch geguckt, als ich ihm das Thema vorgestellt habe. Aber es ist sehr interessant, wirklich. Ich untersuche, wie sich das Verhältnis des Malers zu seinem Modell in der Farbgebung des Porträts widerspiegelt. Farben haben Bedeutungen, und Maler setzen sie ein,
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