Colours of Love
arbeitet er ja oft lange. Oder … Der Gedanke, was er hier vielleicht sonst noch tut, treibt mir das Blut in die Wangen.
Plötzlich spüre ich einen Luftzug an meiner Wange und fahre herum. Jonathan Huntington steht dicht hinter mir und sieht mich an. Er hat sein Glas wieder in der Hand. Ich habe ihn nicht kommen hören.
»Oh, entschuldigen Sie«, stottere ich. »Ich wollte nicht neugierig sein, aber …«
»Aber Sie waren es«, beendet er den Satz für mich.
Für eine Sekunde glaube ich, dass ich jetzt alles ruiniert habe. Ich habe seine Privatsphäre verletzt, und jetzt ist er böse auf mich und wird sein Angebot zurücknehmen. Mit angehaltenem Atem warte ich auf die harten Worte, mit denen er mich sicher gleich zurechtweisen wird.
Doch er schenkt mir wieder eines dieser entwaffnend charmanten Lächeln. »Wenn es sehr spät wird, habe ich oft keine Lust mehr, noch bis nach Knightsbridge zu fahren. Dann schlafe ich hier«, erklärt er. »Aber«, er hebt die Hand, und ich glaube schon, dass er mich berühren will, doch er stützt sie hinter mir am Türrahmen auf, lehnt sich dagegen, »ich vermische niemals Dienstliches mit Privatem. Also keine Sorge.«
Ich starre ihn nur an, weil ich spüre, dass meine Stimme mir gerade nicht gehorcht, und frage mich, was er damit meint. Worüber soll ich mir Sorgen – oder keine Sorgen machen? Sicher nicht über das, was mir gerade durch den Kopf geht. Oder doch? Ich kann einfach nicht klar denken, wenn er direkt vor mir steht.
Sein Arm ist meinem Gesicht ganz nah, und ich fühle die Wärme, die von seinem Körper ausgeht. Wie von selbst wandert mein Blick von seinen Augen zu seinen Lippen, ganz kurz nur, doch bevor ich es verhindern kann, entschlüpft mir ein Seufzen. Sein Lächeln schwindet, und er wird ernst, sieht mich wieder so an wie im Auto, als ich gegen ihn gerutscht bin. Meine Brust hebt und senkt sich, und mein Puls rast, während ich in seinen blauen Augen versinke. Für eine kleine Ewigkeit oder auch nur ein paar Sekunden – ich weiß es nicht – stehen wir uns gegenüber. Dann lässt er den Arm sinken.
»Also«, er hebt sein Glas, »auf eine gute Zusammenarbeit – Grace.«
Ich erwache erschrocken aus meinem Trancezustand, als er mit seinem Glas gegen meins stößt.
»Ja. Auf eine gute Zusammenarbeit«, hauche ich und überlege, ob er damit meint, dass ich ihn jetzt auch beim Vornamen nennen soll. Ich probiere es aber lieber nicht aus, weil ich nicht schon wieder etwas falsch machen will.
Fasziniert sehe ich zu, wie sein Adamsapfel sich bewegt, während er trinkt. Dann wird mir klar, dass ich ihn anstarre, und ich setze hastig das Glas an die Lippen. Doch ich hebe es zu schnell, und als der süße Saft meinen Mund flutet, verschlucke ich mich und muss husten. Ich spüre, wie er mir auf den Rücken klopft, während ich versuche, wieder zu Atem zu kommen. Verdammt, Grace, kannst du denn nicht einmal nichts Peinliches tun, wenn Jonathan Huntington in der Nähe ist?
»Alles in Ordnung?«
Als ich den Kopf hebe, sehe ich das amüsierte Glitzern in seinen Augen. Ich verziehe das Gesicht und nicke.
»Ja, geht schon wieder.«
Er kehrt in den Raum zurück und stellt sein Glas auf dem Couchtisch ab.
»Am besten, Sie holen Ihre Sachen von unten und sagen Bescheid, dass Sie ab jetzt hier oben bei mir arbeiten werden. Alles Weitere besprechen wir dann gleich«, sagt er und geht wieder zu seinem Schreibtisch hinüber.
»Ja, dann … bis gleich«, sage ich und gehe in die entgegengesetzte Richtung, immer noch ein bisschen fassungslos. In der Tür drehe ich mich noch mal um. »Und – danke.«
Er steht hinter dem Schreibtisch und nickt nur. Von hier aus kann ich den Ausdruck in seinen Augen nicht erkennen. »Beeilen Sie sich. In einer Stunde haben wir den ersten Termin.«
Mit heißen Wangen und klopfendem Herzen gehe ich an der Schwarzhaarigen vorbei zurück zum Lift.
7
»Er hat was? « Annie starrt mich total fassungslos an. »Das ist nicht dein Ernst.«
Wir stehen in der Küche, weil ich mit ihr allein reden wollte, und ich habe ihr gerade die Neuigkeiten erzählt.
»Toll, oder?« Ich sage das hoffnungsvoll, denn im Fahrstuhl habe ich beschlossen, es als das zu nehmen, was es ist – eine einmalige Chance, die ganz sicher nicht wiederkommt. »Offenbar habe ich den Test bestanden, von dem du gestern gesprochen hast.«
Annie schüttelt den Kopf. »Das ist eine abteilungsinterne Sache, damit hat der Boss nichts zu tun.«
»Oh.« Ich hatte mir das so
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