Colours of Love
Wagen keine Kondome habe«, sagt er. »Außerdem wäre es vermutlich keine gute Idee, gleich völlig derangiert aus dem Wagen zu steigen, wenn zu befürchten steht, dass uns irgendwelche Paparazzi erwarten.«
Natürlich, denke ich bestürzt und blinzle, finde schlagartig zurück in die Wirklichkeit.
Jonathan drückt auf den Knopf der Gegensprechanlage, die ihn mit der Fahrerkabine verbindet.
»Nach Hause, Steven«, sagt er knapp und lässt den Knopf wieder los.
»Nach Hause?« Mein Herz rast noch immer, doch die Realität ist in meine Traumwelt eingebrochen und hat mich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Jonathan nickt. »Es ist besser, wenn du erst mal mit zu mir kommst, bis wir wissen, welche Kreise der Artikel zieht. Danach sehen wir weiter.«
Er wirkt ruhig und beherrscht, gar nicht mehr wie vorhin im Krankenzimmer, als er sich mit einem Vater gestritten hat, oder gerade, als er mich so leidenschaftlich geküsst hat. Ein kaltes Gefühl beschleicht mich, und ich rücke ein Stück von ihm ab.
»Was können wir denn tun?«
Jonathan zuckt mit den Schultern. »Nicht viel. Abwarten, bis es vorbei ist.«
Ich schlucke hart. Bis es vorbei ist . Genau. Denn es wird irgendwann vorbei sein. Vielleicht schon bald.
Das, was ich eben so erfolgreich verdrängt hatte, überwältigt mich aufs Neue, und Angst steigt in mir auf, als mir klar wird, wie aussichtslos meine Beziehung zu Jonathan tatsächlich ist.
Es hat sich nichts geändert – auch wenn ich das gerne glauben möchte. Ich bin nichts weiter als ein Intermezzo, das für ihn genauso schnell wieder vorbei sein wird wie die Begegnungen mit diesen Models, die er auf Empfängen oder Partys trifft. Eine Begegnung von vielen, die für ihn folgenlos bleiben wird – aber nicht für mich.
Denn den Frauen hängen diese Gerüchte nach, nicht ihm. Er kann sich die eine oder andere Geschichte in der Presse leisten, weil das letztlich alles an ihm abprallt. Er ist reich und unabhängig und sucht keine Beziehung, also ist es für ihn höchstens ein bisschen nervig. Ich dagegen drohe alles zu verlieren – nicht nur mein Herz. Erst jetzt wird mir das volle Ausmaß dieser Pressegeschichte wirklich bewusst: Mein Praktikumsplatz ist in Gefahr und mein Ruf in der Branche auch. Was, wenn meine Professoren zu Hause von dieser Affäre erfahren? Nehmen sie mich dann noch ernst? Tut das überhaupt noch jemand – oder bin ich jetzt abgestempelt als Betthäschen?
Und ich kann es Jonathan nicht mal vorwerfen, denn er hat keinen Hehl daraus gemacht, worauf ich mich mit ihm einlasse. Aber der Preis, den ich jetzt zahlen soll, erscheint mir plötzlich doch zu hoch.
Mit neuer Entschlossenheit schüttele ich den Kopf. Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Und das, was wir eben getan haben, beweist ziemlich eindrucksvoll, dass ich das nicht kann, wenn Jonathan in meiner Nähe ist.
»Nein«, sage ich deshalb mit fester Stimme. »Ich möchte zurück in die WG.«
Verblüfft sieht Jonathan mich an. »Sei nicht albern, Grace. Das ist keine gute Idee. Da warten die Fotografen vielleicht auch schon auf dich. Ich werde das regeln, und so lange bleibst du bei mir.«
Aha, denke ich. Nicht wir regeln das, sondern er. Wahrscheinlich so, dass er dabei gut wegkommt. Wen interessiert schon, was aus der Praktikantin wird?
»Und habe ich auch irgendetwas von dieser Regelung?« Ich merke, wie Wut in mir aufsteigt. »Oder geht diese Sache auf jeden Fall voll auf meine Kosten?«
Sein Blick wird hart, und er mustert mich für einen Moment schweigend. Mein Widerspruch passt ihm offensichtlich gar nicht. »Ich verstehe dich nicht, Grace. Was erwartest du denn von mir?«
Nichts, denke ich traurig. Ich darf ja nichts erwarten. Die Märchenprinz-Lösung ist schließlich ausgeschlossen.
»Diese Situation ist für mich auch schwierig«, sagt er, als ich nicht reagiere.
»Aber nicht so schwierig wie für mich.« Tränen steigen mir in die Augen, die ich nur mühsam zurückhalten kann.
Will er das nicht sehen oder kann er das nicht sehen? Ich komme mir plötzlich so dumm vor und so naiv. Aber das schafft er ja immer, dass ich mich so fühle.
»Ich wünschte, du hättest mich nie gebeten, für dich zu arbeiten«, sage ich und drücke auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Steven, könnten Sie kurz anhalten?«
Die Limousine wird sofort langsamer und hält einen Moment später am Bordstein.
»Was tust du da?«, fragt Jonathan scharf, als ich die Tür öffne.
»Ich steige hier aus«, erkläre ich
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